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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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»oder noch was trinken gehen?«
    Sie gingen zu Gambrinus. Weil es nah sei, sagte sie, direkt ander Piazza Trieste e Trento gelegen. Sie redete fröhlich, viele fröhlich klingende Worte, während sie mit einigem Abstand die Via Toledo entlangschlenderten, wodurch sie wohl eher plaudernden Bekannten glichen, die sich zufällig in der Stadt getroffen hatten. Sie sagte, sonst gehe sie nie zu Gambrinus, eigentlich ein Spießerladen, aber ganz witzig, irgendwie. Das sei eben auch Neapel. Ob er schon etwas gesehen habe. Nicht viel, antwortete er. Das Meer vom Hotelzimmer und von einer Straßenkreuzung aus. Ein riesiges Kastell im Meer. Den Bahnhof, sagte er und betrachtete ihrer beider Schatten, die sich trotz des Abstands näher schienen als die Personen, die sie erzeugten.
    Als sie durch die hohe Tür und den schweren dunkelroten Windvorhang in das Café traten, konnte er nicht glauben, dass sie ihn hierher, in diesen menschenvollen, sie wie eine Domkuppel überwölbenden Saal gebracht hatte, in dem sie klein und verloren dastanden, denn alle Plätze bis in die hinterste Dämmerung der langen Raumflucht waren besetzt. Die Tische an den Wänden schienen einen Schritt von ihnen zurückzutreten, alles schien gleichzeitig den Kopf zu wenden, um sie zu betrachten. Bring mich ans Meer, wollte er sagen, ins Dunkle, aber es erhob sich ein Paar von einem der Fensterplätze, und sie setzten sich. Zwischen ihnen lag die winzige Fläche eines Cafétischchens. Und ein Schweigen, das wie eine Tischdecke darübergebreitet war. Jenseits davon ihr Gesicht. Er hätte nur seine Hand ausstrecken müssen, um es zu berühren, aber es schien ihm in diesem Augenblick weiter entfernt zu sein als je, unwirklicher als seine Erinnerung von ihr.
    Als der Kellner kam und mit einer einzigen abgerundeten Bewegung seiner Hand die Tischdecke herabzog und eine neue auflegte, wusste er nicht, was er bestellen sollte. Er wusste garnichts. Was hatten sie früher zusammen getrunken, Bier, fiel ihm ein, viel Bier, aber auch Wein, erinnerte er sich. Betty bestellte einen doppelten Averna. Tom, der gar nichts wusste, am allerwenigsten, ob er Alkohol trinken sollte, und wenn ja, welchen, und wenn nein, welchen nicht, und der nicht wusste, was man außer Alkohol noch trinken konnte auf der Welt, bestellte einen doppelten Whiskey. Bettys Hände lagen auf dem Tischtuch. Tom betrachtete sie und verglich sie in Gedanken mit den Händen in seiner Erinnerung. Er legte alle vier Bettyhände nebeneinander und betrachtete und verglich sie. Eine Hand trug einen Ehering.
    Sie schwiegen. Er hätte jetzt mit ihr sprechen können, aber keines der möglichen Worte erschien ihm angemessen für das, was er empfand. Er wollte sie nur ansehen und konnte es doch nicht. Und was gab es auch zu sagen? Er war hier, und Betty war dort, schaute aus einem Abstand von zehn Jahren zu ihm herüber. Das war eigentlich alles.
    Mit Bewegungen, die auf den Millimeter genau zwei durch unsichtbare Kreuzchen markierte Punkte auf dem Tisch zu treffen schienen, stellte der Kellner die Gläser ab. Als würden, dachte Tom, die Gläser magnetisch von diesen Punkten angezogen, als könnte man sie jetzt nicht mehr verrücken. Eine Schale mit Erdnüssen, Salzgebäck im Mittelpunkt des Tisches. Auch er fühlte sich, als könnte man ihn nicht mehr verrücken, er hier und Betty dort bis in Ewigkeit. Durch den hohen Saal entfernte sich der Kellner wie ein Eiskunstläufer.
    »Salute«, sagte Betty aber und hob ihr Glas.
    »Salute«, sagte Tom.
    Nachdem er getrunken hatte, drehte er sein Glas zwischen Daumen und Zeigefinger auf dem Tisch. Er bemerkte, dass auchsie ihr Glas zwischen Daumen und Zeigefinger drehte, dass auch sie es bemerkte, wie sie beide ihr Glas drehten. Sie lächelten.
    »Ich«, sagten beide gleichzeitig und verstummten. Betty lachte kurz. Bevor er wieder etwas sagen konnte aber, ergriff sie das Wort und redete schnell, während er überlegte, ob sie auch früher schon so schnell geredet hatte, und sich fragte, ob es ihr Beruf mit sich brachte, dieses schnelle, effektive Reden, oder ob es von ihrer neuen italienischen Sprache auf ihr Deutsch abfärbte oder ob sie sich einfach vor der Stille fürchtete oder davor, dass er etwas sagen könnte. Er hatte Mühe, ihr zu folgen, während sie schnell über das Konzert redete, über das Programm, das sie interessant fand, soweit er es verstand, all die alten Schlager und Volkslieder auszugraben und etwas anderes daraus zu machen erschien ihr interessant,

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