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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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hatte, sprach jetzt über die Frauen im Allgemeinen. Mit Vorliebe sprach er über die Frauen im Allgemeinen und auch im Besonderen, über die physischen Vor- und Nachteile dieser oder jener Studentin (er versah einen Lehrauftrag an der Hochschule, aus deren Umkreis er bevorzugt seine meist jungen Freundinnen rekrutierte), über das eine oder andere Trennungsproblem, mit dem er sich immer dann herumschlug, wenn eine der Damen nicht einsehen wollte, dass der Zahn der Zeit an der Liebe mit besonderem Eifer zu nagen pflegte, was aber nicht Diedrichs Schuldwar, denn dieser hatte die Zeit nicht gemacht. Die Liebe – wie auch übrigens die Musik –, sagte er jetzt, vergehe halt in der Zeit, verbrauche sich in der Zeit, das habe er, Tom, selber einmal gesagt. Oder?
    Eine blonde Stewardess zog mit ihrem leisen Wagen an ihnen vorüber und den Blick Diedrichs hinter sich her.
    »Und«, sagte er, als die Stewardess hinter ihrem Vorhang verschwunden war, »die Ehe ist überhaupt eine Dummheit, weil die Liebe immer ein Verfallsdatum hat, das nur leider bei manchen Beziehungen sehr klein gedruckt ist, aber es ist immer da«, sagte er. Außerdem gebe es wirklich noch mehr Frauen, you know , das könne er ihm glauben. Italienerinnen zum Beispiel.
    Diedrich, seit Hedda Groning-Holler und Tom Holler getrennte Wege gingen, wie es hieß, schien sich für das Sexleben seines Kollegen verantwortlich zu fühlen und versuchte, wann immer er mit einer Frau nach einem Auftritt in ein Gespräch kam, ihn einzubeziehen, woraufhin vor einigen Monaten eine Studentin der Bassklarinette, in deren nach Patschuli riechender Wohngemeinschaft sich allerdings außer Schlafen und einem peinlichen Kaffeetrinken mit einem gewissen Mitbewohner Bernd am Morgen nichts ereignet hatte, der vorläufige und von Diedrich in Unkenntnis der Details als Erfolg verbuchte Höhepunkt geblieben war.
    »Oder?«, sagte Diedrich.
    Tom nickte. Er hatte nicht zugehört, nur das Wort Italienerinnen hatte er undeutlich verstanden. Er öffnete zwei Knöpfe seines Hemdes und legte seinen Sitz nach hinten. An Schlaf aber war nicht zu denken, da Didi sein Frauenreferat noch nicht beendet hatte. Ein Blick aus dem Fenster zeigte, dass die Wolkendecke sich verloren hatte, nur noch Fetzen trieben in derLuft. Darunter lag schmutzigbraunes Land, eingeteilt in viereckige Flächen von Feldern, Wäldern, Industrieparks, Einkaufszentren, Dörfern, Parkplätzen. Dazwischen die Straßen, die die Parzellen durchschnitten wie Linien auf Zeichenpapier. Alles wird von den Straßen beherrscht, dachte Holler. Die Landschaft wird von den Straßen erst hergestellt, wird von den Straßen gezeichnet. Die Straßen sind der Zeichenstift in der Hand der Menschen.
    »Oder auch die eine oder andere Touristin«, sagte Diedrich.
    »Ja«, sagte Holler.
    »Eben«, sagte Diedrich.
    Tom blickte jetzt auf Diedrichs Knie, wo dessen speckige runde Kinderhand lag, mit einem Grübchen über jedem Fingergelenk, vollkommen unbehaart. Diedrich seufzte. »Das wird schon«, sagte er und ließ, Tom hatte es vorausgeahnt, die Gelenke seiner Finger knacken, indem er diese ineinander verschränkte und dann die Handflächen nach außen stülpte. Die Chicks, sagte Diedrich, und meinte die Frauen, stünden ja insgeheim am meisten auf die Typen am Piano. Holler lächelte schwach. Diedrich hatte immer schon »Chicks« gesagt und damit die Frauen gemeint, aber es kam ihm so vor, als dehne er neuerdings den Vokal noch amerikanischer in die Länge. Fast alle Jazzmusiker, dachte Holler, haben ein Faible für alles Amerikanische, unter anderem deswegen hatte er die Jazzmusiker nie gemocht, einschließlich sich selbst. Didi berichtete jetzt von Clubs, in denen er gespielt habe, mit welchen Größen, mit welchen Namen er Gigs gespielt habe. Er müsse das nächste Mal unbedingt mitkommen, sagte er, in die Staaten. Er hatte zwei Gläser Sekt bestellt, die von einer Stewardess mit rechteckigen weißen Fingernägeln gebracht wurden.
    »Prost«, sagte Didi, »auf Italien!«
    Holler zögerte, denn er hatte eigentlich nichts trinken wollen, nicht schon im Flugzeug. Ein Sektglas aber war klein und schnell geleert. Und auch ein weiteres und ein weiteres und weiteres Sektglas waren schnell von Stewardessenhänden gebracht und von ihm ebenso schnell geleert.
    Unter dem Fenster lagen die Alpen. Und die schmutzigdeutsche Ebene war schon vergessen, denn die Alpen, frei und offen und rebellisch, hatten sich aufgebäumt und Straßen und Parzellen einfach

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