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Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition)

Titel: Die Ordnung der Sterne über Como: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Zeiner
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wirklich herzlich. »Bitte, steig ein!«
    Betty schlenkerte kurz mit ihrem Rückgrat, was ein entschiedenes »Nein« ausdrücken sollte, hielt sich wieder gerade und starrte über die verbauten Hügel, und die Hügel starrten zurück.
    Alfredos Elternhaus stand direkt unter dem Himmel. Selbst heute hatte sie denken müssen, wie hübsch, nein, wie schön,wie sie es auch nach sieben Jahren jeden zweiten Sonntag nach wie vor dachte, wenn sie über diese holprigen Straßen zu ihren Schwiegereltern fuhren, die Hügel hinauf, an alten Steinmauern, hoch aufgetürmter Lava vorbei, unter ans Autodach kratzenden Oleanderbüschen hindurch, und in den engen Kurven hupen mussten, wenn nach jeder Biegung plötzlich das Meer erschien. Eine Vespa hustete den Berg herab, ausweichen, schalten, ein Ruckeln des Autos und dann Heulen des Motors, zur nächsten Kurve, und vor der Windschutzscheibe hing schwankend der Himmel, kippten schräg die Weinberge, und endlich das Dorf.
    Wie immer parkten sie am Kirchplatz. Die letzten Meter stiegen sie zu Fuß über die schiefen Steintreppen hinauf, es gab keine Autos hier oben, scheinbar keine Zeit. Am Gartenzaun wartete der Schwiegervater, den halben Morgen schon, wie Betty annahm. Eventuell war er etwas hin und her gelaufen, eventuell hatte er ein paar Gartenkräuter für seine Frau gepflückt, die in der kleinen Küche Auberginen frittierte, vielleicht hatte er einen schweren dunkelgelben Ast des Zitronenbaums mit einer Holzstange abgestützt, hatte aber dabei das niedrige Gartentor nie aus den Augen gelassen, bis sie endlich aufgetaucht waren mit ihren Tüten und Taschen, den Besorgungen aus der Stadt. Der Schwiegervater, als sie einander begrüßten, versuchte, sich sein Warten nicht anmerken zu lassen. Betty, die schon unten auf dem Kirchplatz ihr Schwiegertochterlächeln herausgesucht hatte, lächelte beharrlich, während er ihr die Tüten abnahm und über den kleinen Steinplattenweg zum Haus voranging, im weißen Sonntagshemd, über das er eine graue Weste gezogen hatte. Noch immer war er größer als sein Sohn, die Schultern aber waren gebeugt, nach vorn geneigtder Kopf, der bei jedem Schritt ruckelte, als wären die Bewegungen zu heftig. Die Weste schlackerte lose über seinen Rücken hinab.
    Die Schwiegermutter hatte ihre Ankunft zunächst überhört, weil die ganze Küche von Bratgeräuschen und Töpfeklappern erfüllt war. Auch noch im Alter war sie mädchenhaft zierlich und klein, aber als sie sich umdrehte, stützte sie sich schwer auf die Arbeitsplatte wegen ihres Hüftleidens. Mit kippendem Schritt kam sie auf die Kinder zu, wie sie sie nannte, umarmte sie beide, so dass Betty Alfredos Schulter, seine Seite spürte, die erste Berührung seit Tagen.
    Gegessen wurde auf der Terrasse, obwohl es noch kühl war, aber es gehe schon, sagte Bruno. Man saß unter dem Zitronenbaum, der seine Zweige fast bis auf den Tisch hinabließ, und schaute über die Hügel, das Meer tief unten. Alfredo sagte während des gesamten Essens fast nichts, dehnte sein Schweigen weiter aus, breitete es über die ganze Familie. Mariannas Augen gingen, nachdem die Schüsseln geleert waren, von Alfredo zu Betty und wieder zurück, als wollte sie sie mit diesem Blick verbinden und fest verschnüren, bis, wie immer, wenn die lang ersehnte Neuigkeit ausblieb und kein Enkelkind angekündigt wurde, ihre erwartungsvollen Gesichtszüge sanken, die Hoffnung aus ihrem Gesicht rutschte und es nackt und müde zurückließ.
    Um sich diesen Anblick zu ersparen, verfolgte Betty seit längerem mit den Augen einen schwarzen Käfer, der auf dem karierten Tischtuch lief. Ziellos, aber mit der größten Geschäftigkeit eilte er zwischen den Tellern hin und her. Als er auf Bettys Gabel stieg, fiel er seitlich um und blieb auf dem Rücken liegen. Er spannte die Flügel auf, flatterte, strampelte mit den Beinen.Endlich nahm Betty die Gabel zur Hand und hob ihn vorsichtig wieder auf den Bauch. Sofort ging es eilig weiter, bis er abermals an einen Widerstand stieß, abermals auf den Rücken fiel. Betty nahm die Gabel. Als sie aber innehielt, um zu überlegen, ob der Mensch in die Natur eingreifen solle, ob er überhaupt je in das Naturgesetz der Grausamkeit korrigierend sich einmischen solle oder eher nicht, fiel der schiefe Schatten Mariannas mit der Tiramisu-Schüssel auf den Tisch, und die Schüssel landete direkt auf dem schwarzen Käfer.
    »Dass es noch so viele Zitronen gibt«, sagte Betty zu Bruno, wiederholte es lauter, DASS ES

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