Die Orestie
Gegenstrophe
Rechte Gramverschwägrung war's,
Die den Troern Götterzorn,
Endesinnend, hat gesandt, für des Gasttisches arge Schändung einst,
Für des höchsten Hortes Schmach
Buße vom Freudenfest, vom brautfeiernden Hymnos einzufordern,
Von dem Hochzeitlied, das die Schwäger daheim sangen mit Stolz;
Doch es verlernte solchen Sang bald die ergraute Priamsfeste;
Und in Gramliedern beseufzend ihre Not, schrie sie, verfluchte sie Paris' Untat,
Noch bevor sie das ganze graunvolle Geschick des Volkes sah
In dem entsetzlichen Blutbad!
Zweite Strophe
Es zog also ein Mann einst,
Ein Löwenjunges der Muttermilch raubend, selbst sich den Rächer;
Denn es erschien im Anfang,
Zahm mit den Kindern zu spielen,
Treuer Begleiter der Alten,
Ruhete oft in ihrem Arm,
Wie ein gehegter Säugling pflegt,
Sah hellblickend zur Hand herauf, an sich schmiegend vor Hunger.
Zweite Gegenstrophe
Gereift endlich enthüllte
Die Art er seines Geschlechtes; denn, als der Pflege Vergeltung,
Riß er sich ungeladen
Schafe der Herde zum Mahle,
Tünchte des Haus mit dem Blute rings –
Für die Bewohner übergroß
Unverwindbar bittres Leid;
Gottgesandt dem Geschlecht erwuchs so ein Priester des Unheils.
Dritte Strophe
In gleicher Art kam gen Ilion, ich möchte sagen:
Ein Sinn wie glanzheitre Meeresstille,
Ein Kleinod wunderholden Reichtums,
Lieblich geheimen Blickes Pfeil,
Herzbetrübende Liebesblüte;
Doch enttäuscht endlich, erfüllt' selbst sie das grambittere Ziel der Hochzeit,
Die, hinweg Frieden und Lust scheuchend, in Priamos' Haus geflohn kam,
Geschenk des gastlichen Zeus,
Brautbeweinte Erinnys!
Dritte Gegenstrophe
Ein greises Wort, vielberühmt den Menschen, lautet also:
Der große, volkreiche Glückessegen
Gebiert, stirbt nimmer kinderlos;
Und in des Glückes Garten wächst
Unersättlicher Jammer wuchernd!
Doch erkennt anders es mein Geist; denn des Menschen böser Wandel,
Er erzeugt andere Untat, an des Vaters Zügen kenntlich!
Doch frommen Häusern erblüht
Kinderseliges Heil stets!
Vierte Strophe
Es zeuget gern Übermut alter Zeit Übermut fort und fort,
Der im Leide grünt und reift –
Sei's heut, sei's morgen, wenn nur erst die rechte Stunde kommt –,
Den unüberwindlichen, den allverhaßten, den Abscheu des Sonnenlichts, in des Geschlechts
Nachtdunkler Schuld göttervergeßne Frechheit,
Wieder dem Vater ähnlich!
Vierte Gegenstrophe
Doch Dike strahlt unter armselgem, rauchschwarzem Dach,
Ehret frommes Leben hoch;
Wer aber goldgewirkte Pracht mit schmutzger Hand sich webt,
Da flieht des Vaters hehre Tochter, den Blick abgewandt, des Reichtumes Gewalt,
Von feilem Lob falsch gemünzt, verachtend;
Jegliches probt am Ziel sie!
Auf hohem Siegeswagen tritt Agamemnon auf; neben ihm sitzend Kassandra. Etwas später tritt Klytaimestra aus dem Palast.
CHORFÜHRER.
Mein König und Herr,
Du des Atreus Sohn, der du Troja bezwangst,
Wie red ich dich an, wie ehr ich dich jetzt
Nicht überentzückt, nicht niedergedrückt
Von der Freude des Tags?
Wohl mancher versucht zu erheucheln den Schein,
Überschreitend das Maß des Gerechten!
Mit dem Unglückselgen zu klagen ist leicht
Alljeder bereit; doch die Nadel des Grams
Dringt dem niemals bis zum Herzen!
Und Fröhlichen wieder erscheinet er froh
Und zwingt nichtlachende Stirn, daß sie lacht.
Doch wer wie ein wackerer Hirte des Volks
Achtgibt, dem birgt solch Auge sich nicht,
Das, ein treues Gemüt zu bekunden bemüht,
Liebäugelt in wäßriger Freundschaft!
Du dünktest mich einst, da du fort in den Krieg
Um Helena zogst – nicht berg ich es dir –,
Sehr töricht zu sein, und es blieb mir im Geist,
Daß du nicht recht lenktest das Steuer des Sinns,
Unwilligen Mut
Für Kampf und Tod zu erzwingen.
Jetzt aber erfreut mich im tiefsten Gemüt
Die Gefahr, die glücklich vorbei euch zog;
Du wirst mit der Zeit, wenn du nachforschst, sehn,
Wer löblich und wer nicht, wie es sich ziemt,
Von den Bürgern die Stadt dir bewahrt hat.
AGAMEMNON.
Zuerst gebührt sich's, Argos und die heimischen
Gottheiten fromm zu grüßen, die zur Wiederkehr,
Zu meinem Recht mir halfen, das ich von Priams Stadt
Gefordert habe. Sie, des Streites Richter nicht
Nach Red und Gegenrede, warfen offenbar
In des Blutes Urne Trojas männermordende,
Des Todes Kugel; bei der andern, unberührt
Von aller Hand noch, saß die Hoffnung kummervoll.
Am Rauch erkennt man Trojas
Weitere Kostenlose Bücher