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Die Orgelpfeifen von Flandern

Die Orgelpfeifen von Flandern

Titel: Die Orgelpfeifen von Flandern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alban Nikolai Herbst
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hinein. »Wart’ es ab«, sagte sie, »eines Tages werde ich eine ebensolche Gelehrte sein wie mein Vater einer ist. Aber ich werde etwas Haltloses schreiben, ohne Gebot und Geschichte.« Sie strich sich die schwarzen Haarsträhnen aus dem Gesicht und steckte einen Zigarillo an. Zwei Wochen, nachdem wir eingezogen waren, war sie morgens plötzlich aus dem Bett gesprungen, hatte nach den Jeans gegriffen, sich einen Pullover übergestreift. »Ab heute rauche ich«, verkündete sie. Ich hatte lachen müssen. »Was findest du komisch daran?« War fast schon zur Tür hinaus, stutzte im Rahmen, lachte gleichfalls. »Hast ja recht, Abèl. Ist schon ein bißchen absurd.« - Sie ging aber doch und kam mit Zigarillos zurück.
    »Küß mich, Abèl! Jetzt sind wir, nicht damals.«
    Ich wandte mich ihr zu, stand auf, kniete neben ihr vor die Couch, legte meinen Kopf auf ihren Bauch. Sie hatte das Kinn in die Halsmulde gepreßt, lugte über die Hügel ihrer Brüste zu mir hinab. Mein rechter Zeigefinger strich ihr über die Brauen.
    »Du mußt mich jetzt lieben«, sagte sie. »Es ist nötig.«
    Aber Ansgar fielen die Augen zu. Erst tief in Nacht oder Frühe erwachte er; jedenfalls war es draußen noch dunkel. Weder er noch Jézabel hatten sich sonders bewegt; ihre Bauchdecke hob und senkte sich gleichmäßig warm unter seiner Wange. Ein Geruch von Blättern ging davon aus.
    »Schläfst du, Advise?«
    »Nein, Dummerchen. Ich warte.«
    Er streckte sich aus den Knien hoch; ein Bein war eingeschlafen. Es kribbelte. Auch sie erhob, reckte sich aus der Couch, nestelte an seiner Hose, zog sie herunter.
    »Du mußt mich begehren.«
    »Aber ich begehre dich doch.«
    Selbst der leichte Handdruck, mit dem sie sein Geschlecht umschloß, war skeptisch.
    »Warum streifst du immer die Vorhaut zurück?« fragte sie und küßte die Eichel. Sie ließ ab, schnellte auf, spannte sich, öffnete die Bluse. Zog die roten Stiefeletten von Waden und Füßen, drückte ihre engen Jeans hinunter. Wie eine Woge quoll feuchter, würziger Laubduft aus ihrem Schoß, flutete den Boden, ein Opiat, stieg an, schwappte auf jeden Stuhl, deckte sich über den Tisch, überzog die Wände und stand wie dichtes, süßes Wasser bis zur Decke.

    J ézabels Atem flatterte kühl über seine Brust, vernestelte sich in den gekräuselten Härchen. Da entfiel Ansgar dem Zimmer. Es war, als gäbe die Matratze nach unter seinem Gewicht, und Decken und Kissen ließen ab. Eine verwischte Traumorganik öffnete den glänzenden, feuchten Schlauch, Gebärmutterhals, wohinein er fiel und fiel, weich, schnell, immer schneller. Kein Widerstand strömte um ihn zusammen. Die Sekrete schlugen zur Seite. Er sauste hindurch, raste quer in die Leere und fiel am Grund auf dasselbe Laken zurück, das unter ihm nachgegeben hatte. Es stoppte zäh seinen Fall, dehnte sich, stülpte einen Kokon aus, in dem er, wie in einem Tropfen, ruhte. Die Matratze über ihm rauschte zusammen. Dann erst kontraktierte der Kosmos, pulsierte in die Ausgangslage und stabilisierte sich ohne nachzufedern.
    Ansgar schlug verstört die Augen auf. Zuerst sah er nichts außer weißlichen Gebilden. Es war nicht leicht, Pupillen scharfzustellen. Konturierte sich blasses, über ihn gebeugtes Männergesicht, dunklen kleinkrempigen Hut gerade in der Stirn. Familienvater gestern früh. Zwei andere, gleichfalls hutbedeckte Köpfe entformten sich Schlieren. Zwischen Schultern drei Menschen schoben sich dunkelhaarige Kinderköpfe sowie glattrasiertes Gesicht eines Jugendlichen. Zimmer selbst im Ungefähren.
    »Er ist aufgewacht,« sagte helle, noch kaum entwickelte Stimme des Jungen. Die Kinder tuschelten.
    »Kommen Sie zu sich, Ansgar«, sagte Vater. »Verantworten Sie sich.«
    Entfernter, in Ecke, Greis im Tzitzot, Kipa, über Folianten gebeugt. »Ahasja aber regierte über Juda im elften Jahr Jorams, des Sohnes Ahabs.« War liturgisches Wispern.
    Ansgar kam kein Artikulieren. Stimme aufgedunsen, zäh.
    »Strengen Sie sich nicht an. Wir verstehen Sie auch stumm.«
    Ansgar versuchte trotzdem wieder.
    »Wir waren geduldig. Wir haben auf Sie gewartet mehr als ein Jahr.«
    »Schuldig bis in das dritte und vierte Glied«, sagte Junge.
    »Nun sind Sie eingekehrt, um Buße zu tun.«
    »Und da Jehu gen Jesreel kam und Jsebel das erfuhr, schminkte sie ihr Angesicht und schmückte ihr Haupt und guckte zum Fenster hinaus«, sang Alte.
    Vater wandte nach hinten: »Sei still, Elisa Blum!«
    Gesang leiser.
    »Und das dritte hat abermals

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