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Die Orks 01 - Die Rückkehr der Orks

Titel: Die Orks 01 - Die Rückkehr der Orks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hatte, war er zum Abmarsch bereit.
    »Nur eins noch«, meinte er, als Rammar schon gehen wollte.
    »Was denn?«
    »Du sagtest, der Ghul, mit dem du es zu tun hattest, hätte ausgesehen wie ich …«
    »Ja, und?«
    »Wie hast du erkannt, dass du es mit einem falschen Balbok zu tun hattest?«
    Rammars Grinsen war wölfisch. »Wer sagt, dass ich das gewusst habe?«, erwiderte er genüsslich. »Dieser Kerl sah aus wie du und ging mir schon allein deswegen auf die Nerven – also hab ich ihn erschlagen …«
    Langeweile.
    Dies war das Wort, das Alannahs Zustand am treffendsten beschrieb.
    Eingesperrt zwischen steinernen Mauern, gefangen im ewigen Eis, schienen ihre Tage endlos zu sein, erfüllt von Ritualen, die ihren Sinn vor langer Zeit verloren hatten.
    Zeit …
    An diesem Ort am Ende der Welt bedeutete sie nichts; sie rann so zäh dahin wie das Blut in Alannahs Körper.
    Bisweilen, wenn sie erwachte, hatte sie das Gefühl, ihr Herz hätte bereits aufgehört zu schlagen. Sie stellte sich dann vor, dass ihr Leben zu Ende wäre, dass sie die Fahrt nach den Ewigen Gestaden angetreten hätte und jenseits der Nebel der sterblichen Welt immerwährende Freude und Zerstreuung auf sie warteten.
    Die Sache war nur – Alannah würde so bald nicht sterben. Sie war eine Elfe. Und sie war dazu verdammt, die immergleiche Routine zu vollziehen.
    Tag für Tag.
    Jahr für Jahr.
    Jahrzehntelang.
    Jahrhundertelang …
    Es hatte eine Zeit gegen, da hatte Alannah sich glücklich geschätzt, zur Kaste Shakaras zu gehören und die eine zu sein, die auserwählt war, das Geheimnis in die Zukunft zu tragen. Nach der Zeitrechnung der Sterblichen war dies vor mehr als dreihundert Jahren gewesen – dreihundert Jahre, in denen Alannah kaum etwas anderes getan hatte, als die alten Zeremonien und Rituale durchzuführen und die Erinnerung zu wahren.
    Aber wofür?
    Und für wen?
    Je mehr Alannah darüber nachdachte, desto schwieriger wurde es, Antworten auf diese Fragen zu finden. Zu Beginn ihrer Zeit im Tempel war sie überzeugt gewesen, eine wichtige Aufgabe zu erfüllen zum Wohle der Völker von amber, wie die Elfen Erdwelt nennen.
    Aber schon nach den ersten hundert Jahren waren ihr Zweifel gekommen. Hatte das, was sie hier tat, tatsächlich einen Sinn? Die Prophezeiung, die vor vielen Zeitaltern gegeben worden war, hatte sich nicht erfüllt. Dabei sehnte sich Alannah so sehr danach, jenem zu begegnen, in dessen Person sich die Weissagung erfüllen sollte.
    Sie hatte die Tage damit verbracht, am Fenster zu stehen und hinauszublicken auf das ewige Eis, so wie sie es gerade tat, in diesem Augenblick. Aber der Unterschied zu damals bestand darin, dass sie inzwischen nicht mehr daran glaubte, dass sich die Prophezeiung je erfüllte und die Weiße Wüste jenen hervorbrachte, der die Völker ambers vereinen und ein neues Zeitalter einleiten würde.
    Niemand sprach es aus, aber Alannah war nicht die Einzige, die den Glauben verloren hatte. Früher hatte der Hohe Rat der Elfen jeden Monat eine Abordnung nach Norden geschickt, um den Stand der Dinge zu erfragen. In den letzten Jahrzehnten jedoch waren die Abstände, in denen die Gesandten zum Tempel kamen, immer größer geworden, und es war klar, was das bedeutete: Selbst die Ältesten rechneten nicht mehr damit, dass sich die Prophezeiung noch erfüllte. Sie hatten ihren Blick nach Süden gerichtet, auf die See, wo sie jenseits von Wellenbergen und Wogentälern die Fernen Gestade wussten. Dort lagen Sinn und Zuversicht, während die Welt der Sterblichen immer mehr im Chaos versank. Das Volk der Elfen spürte, dass seine Zeit zu Ende ging, und jeder von ihnen bereitete sich auf die letzte Reise vor. Zahlreiche Schiffe hatten den Hafen von Tirgas Dun bereits verlassen und die Überfahrt angetreten, um die Elfen dorthin zurückzubringen, wo einst alles begonnen hatte.
    Auch Alannah fühlte tief in ihrem Inneren den Drang, amber zu verlassen. Aber anders als die übrigen ihres Volkes war sie dazu verdammt, auszuharren und auf die Erfüllung einer falschen Weissagung zu warten.
    Sie wandte sich vom Fenster ab, als ihre Dienerin das Gemach betrat, das Haupt ehrerbietig gesenkt wie an jedem dieser unendlich vielen Tage.
    »Herrin«, sagte sie leise, »es ist so weit. Die Priester erwarten Euch.«
    »Natürlich.« Alannah seufzte resigniert. »Die Hohepriesterin des Tempels von Shakara muss bei der Zeremonie dabei sein. Wie jeden Tag.«
    Die Dienerin hob den Kopf und schaute ihre Herrin voller Sorge an.

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