Die Orks 01 - Die Rückkehr der Orks
Anführer der Schmuggler wieder an die Spitze des Zuges und schritt kräftig aus. Den Nordwall in nur zwei Tagen zu durchqueren, war schwierig, aber durchaus zu schaffen, wenn sie Tag und Nacht durchmarschierten. Hier unten spielte es keine Rolle, ob es draußen hell war oder dunkel, ob die Sonne schien oder der Mond am Himmel stand. Wenn sie immer einen Fuß vor den anderen setzten, würden die Zwerge das Gebirge in nur zwei Tagen durchqueren und am Morgen des dritten Tages die Weiße Wüste erreichen.
Bis dahin gab es keine Rast; Orthmars Leute waren es gewohnt zu marschieren, ihre kurzen Beine trugen sie auch im Schlaf, wenn es sein musste. Alles in allem waren es dreiundzwanzig Mann, die zu seiner Bande gehörten – Zwerge wie Orthmar, die nichts mehr zu verlieren hatten. Krieger waren darunter, aber auch ehemalige Steinmetze, Schmiede und Baumeister. Das Zwergenreich war im Niedergang begriffen, ihre Dienste wurden nicht mehr benötigt, und Gold und Silber gab es in den Bergen kaum noch zu finden. Also taten sie das, wozu ihr gesunder Zwergenverstand ihnen riet: Sie schlugen Kapital aus dem Chaos, das allenthalben um sich griff. Daran, was ihre Ahnen aus der glorreichen Zeit von ihrem Treiben halten mochten, daran wollte keiner der Schmuggler denken.
Schweigend setzten sie ihren Marsch durch den Tunnel fort, der vor undenklich langer Zeit in den Berg geschlagen worden war; damals war die Welt noch jung gewesen und die Taten groß. Unbeirrt schritten sie weiter und weiter und trieben die Ochsen zur Eile an. Als die Tiere erste Ermüdungserscheinungen zeigten, gönnte Orthmar ihnen nicht mehr als eine kurze Rast und etwas Heu. Danach ging es weiter, ungeachtet der Tageszeit, immer weiter hinein in die Tiefen der Welt.
Wie immer, wenn Zwerge einsame Stollen durchwandern, sangen sie dabei Lieder – dunkle Stimmen, die monoton in ihre Bärte murmelten und von alten Königen und Helden berichteten. Orthmar kam es vor wie bitterer Hohn, aber er ließ seine Männer gewähren. Mit dem Gesang pflegten die Zwerge von jeher ihre Furcht vor der Dunkelheit und der Tiefe zu vertreiben, und hin und wieder ertappte sich Orthmar dabei, dass er in die eine oder andere Strophe einfiel – wie beim Lied von Gruthin dem Verdammten, der in seiner Gier zu tief gegraben hatte und einem Ork begegnet war.
In tiefsten Berges Tiefen steigt
Gruthin, Sohn des Gruthian,
voller Mut und voller Gier,
Gold hat es ihm angetan.
Und wie er gräbt und immer schürft
Geschmeide, Silber und auch Gold,
da merkt er nicht, wie leise schlurft
heran der finstere Unhold.
Schon hat der Ork die Axt erhoben,
Gruthin sich nicht umwendet.
Er ahnt nicht, dass sein Ende naht,
das Gold hat ihn geblendet.
Erst als des Unholds Waffe zuckt,
hat Gruthin ihn erkannt.
Geseh'n hat er sein Spiegelbild
in einem Diamant.
Gruthin noch zur Waffe greift,
indes er kann nichts tun.
Die Orkaxt ihm den Schädel spaltet.
Das hat er nun davon.
Gespalt'nen Hauptes sinkt er nieder,
und statt gefallener Helden Chor
ist das Letzte, was er hört,
des Orks Gelächter in seinem Ohr.
Darum lernt, ihr Zwergensöhne,
aus Gruthins trauriger Kunde:
Seid wachsam, wenn ihr geht allein
im Berg zu dunkler Stunde.
Der Text des Liedes brachte Orthmar dazu, sich einmal mehr wachsam im Stollen umzublicken, und er schickte auch Thalin als Späher voraus. Als dieser zurückkam und nichts Verdächtiges entdeckt hatte, ließ der Anführer der Schmuggler die Karawane weitermarschieren, während der Stollen von den dumpfen Gesängen widerhallte.
So ging es die Nacht hindurch, den darauf folgenden Tag und die nächste Nacht. Hin und wieder ließ Orthmar die Ochsen ausschirren, um ihnen ein wenig Ruhe zu gönnen, während die Karren unterdessen von seinen Leuten gezogen wurden; mit einer Zähigkeit, wie sie nur Zwergen zu eigen ist, arbeitete sich der Trupp der Schmuggler durch den Berg, gönnte sich weder eine längere Rast noch Schlaf – und als am Morgen des dritten Tages endlich der Ausgang am Ende des Stollens auftauchte, war die Erleichterung entsprechend groß.
Den Jubel, der unter den Zwergen ausbrechen wollte, erstickt Orthmar jedoch im Keim; die oberste Überlebensregel für Schmuggler besagt, sich unauffällig zu verhalten. Solange sie nicht wussten, ob draußen, auf der anderen Seite des Berges, die Luft rein war, mussten sie Ruhe bewahren.
Es war nicht das erste Mal, das Orthmar und seine Leute die Nordtour bestritten; da man es hier mit Barbaren zu tun hatte, mit Menschen also,
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