Die Orks 01 - Die Rückkehr der Orks
schlichen sie los, weiter den breiten Gang entlang und danach einer Reihe von Abzweigungen und Treppen folgend. Diesmal waren die Orks noch mehr auf der Hut als zuvor. Sobald sie ein verdächtiges Geräusch vernahmen, verharrten sie und warteten; erst wenn sie sicher waren, dass ihnen keine Gefahr drohte, setzten sie den Weg fort.
Endlich gelangten sie in einen Gang, der breiter und prächtiger war als alle anderen zuvor und dessen geschwungene Decke nicht von Säulen, sondern von Statuen getragen wurde. Ihr weißer Alabaster schimmerte im blauen Licht wie glänzendes Eis. Wen die Statuen verkörperten, wussten Rammar und Balbok nicht; es waren wahrscheinlich irgendwelche Wichtigtuer aus der Elfenhistorie, an denen in der Vergangenheit dieses Volkes ja nun wirklich kein Mangel herrschte. Für die Orks sahen die Kerle nicht nur alle gleich, sondern auch noch alle gleich hässlich aus – symmetrische Visagen mit hohen Wangen, langen Nasen und unverhohlener Arroganz im Blick.
Für Rammar verkörperten die Statuen alles, was er an den Elfen noch nie hatte leiden können, und da ihn ohnehin ein dringendes Bedürfnis plagte, konnte er es sich nicht verkneifen, sich geradewegs zu Füßen eines besonders elegisch dreinblickenden Standbilds zu erleichtern. Dem Tempeldiener wollten die Augen aus den Höhlen quellen.
»Was glotzt du so, Bleichgesicht?«, fragte Rammar grinsend. »Hast du noch nie jemanden pinkeln sehen? Natürlich nicht – ich möchte wetten, bei euch Prachtburschen setzt es Eisbrocken und Rosenblüten.«
»Schhh«, machte Balbok mit einer energischen Handbewegung. »Hörst du das auch?«
Rammar packte seinen kleinen Ork wieder ein und spitzte die Ohren. Natürlich konnte er es hören – ätherische Gesänge in so hoher Tonlage, dass sich einem Ork die Nackenborsten sträubten.
»Verdammt!«, fluchte er. »Bei dem Gejammer rollen sich einem ja die Fußkrallen auf. Das kommt von da vorn, wahrscheinlich aus dem Tempelraum, oder?«
Der geknebelte Elf nickte widerstrebend.
»Die Zeremonie hat bereits angefangen«, folgerte Rammar. »Los, wir müssen uns beeilen.«
Die Orks liefen den breiten Gang entlang, ihren Gefangenen im Schlepp. Der Gesang wurde lauter, je weiter sie vordrangen, und je lauter er wurde, desto heller und durchdringender wurde das Leuchten, das den Gang erfüllte.
Blendend helles Licht strahlte ihnen vom Ende des Korridors entgegen. Ihre Augen schirmend, liefen sie weiter, eingehüllt von Licht und Gesang – beides Dinge, die ein Ork zutiefst verabscheut. Am liebsten hätte Rammar laut geschrien und kehrtgemacht, aber er riss sich zusammen.
Die Augen der Orks gewöhnten sich allmählich an das helle Licht, und sie erkannten, dass der Gang auf eine Art Galerie mündete, die von einer steinernen, kunstvoll behauenen Balustrade begrenzt war. Von hier aus konnte man hinunter in die Halle blicken, die an Prunk und Schönheit alles übertraf, was die beiden Brüder je gesehen hatten – nur haben Orks leider keinen Funken Sinn für Schönheit.
Fenster gab es nicht; das Licht strahlte von einem riesigen kreisrunden Leuchter, der von der hohen Decke hing und mit unzähligen Kristallen besetzt war. Künstlichen Gestirnen gleich verbreiteten sie gleißenden Schein und ließen den Marmor der Wände und des Bodens blendend hell erstrahlen.
Große Standbilder aus Alabaster, deren reglose Mienen noch gravitätischer wirkten als jene auf dem Gang, waren entlang der Seitenwände in schmale Nischen eingelassen. Die steinernen Schwerter, die sie zum Spalier erhoben hatten, formten ein zweites Dach über einem marmornen Weg, der von einem Ende der Halle zum anderen führte.
Die Stirnseite wurde von einem riesigen Kristall eingenommen, der gewiss an die zehn Mannslängen hoch war; anders als jene an der Decke leuchtete er nicht aus sich heraus, sondern reflektierte das Licht der kleineren Kristalle, sodass es tausendfach strahlte und glitzerte. Vor dem Kristall befand sich ein steinerner thronähnlicher Sitz, der wie die Balustrade der Galerie reich verziert war. Rings um den Thron hatten sich zahlreiche Elfen versammelt, die in wallende weiße Gewänder gekleidet waren. Zu beiden Seiten des Riesenkristalls gewahrten die Orks außerdem – sehr zu ihrem Missfallen – mehrere Wachen mit Schwertern und Schilden.
Die Seiten der Halle wurden von jungen Elfinnen gesäumt, deren anmutige Gestalten ebenfalls von Seide umflossen wurden, und langes Haar wallte auf ihre Schultern hinab. Sie waren
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