Die Orks 01 - Die Rückkehr der Orks
Marsch fort, und während sie sich der Südseite der Berge näherten, ließen sie die Kälte des Nordens mit jedem Schritt hinter sich zurück. Noch vor ein paar Tagen war Rammar und Balbok die Gegend nördlich der Sümpfe kalt und unwirtlich erschienen – nun kam es ihnen vor, als kehrten sie nach Hause zurück.
»Willkommen im Süden«, rief Rammar in seltenem Überschwang, »wo die Nächte wirklich dunkel sind und einem nicht der asar gefriert.«
»Ja«, erwiderte Alannah in undeutbarem Tonfall. »Willkommen im Süden …«
Sie marschierten weiter, bis es dunkelte, dann suchten sie sich einen Lagerplatz im Schutz einiger Felsen. Da Balbok keinen Dung mehr hatte, den er verfeuern konnte – jene eisige Nacht im Schneesturm hatte alles aufgebraucht –, setzte sich Rammar diesmal durch, und es wurde kein Feuer gemacht. Erneut wechselten Balbok und er sich beim Wachehalten ab. Den Elfen waren sie entkommen, aber nun waren sie wieder im Süden, und hier hausten Trolle, Zwerge, Gnomen und anderes Gezücht.
Dennoch blieb es die Nacht über ruhig.
Am Morgen folgten sie dem Pfad weiter in die Tiefe. Die Wolken blieben über ihnen zurück, und zum ersten Mal konnten sie wieder mehr als einen Steinwurf weit sehen. Ein atemberaubendes Panorama breitete sich vor ihnen aus: Schroffe Bergriesen, die sich aus dunklen Tälern erhoben und in den Himmel ragten, bizarre Felsformationen, die Wind und Wetter aus dem Gestein gemeißelt hatten, Wasserfälle, die rauschend aus großer Höhe in die Tiefe stürzten, und schließlich, weit im Südwesten, die fernen Ausläufer des Scharfgebirges, die sich wie das Gebiss eines Drachen am fernen Horizont erhoben.
Rammar und Balbok jedoch stand der Sinn nicht nach majestätischer Landschaft. Ihnen war nur wichtig, dass sie ihre Beute wohlbehalten – oder zumindest lebend – in Ruraks Festung ablieferten.
Zur Verwirrung der Brüder schien die Gefangene jeden Augenblick der Reise zu genießen, ungeachtet der Tatsache, dass sie eine Gefangene war. Alannahs Unbekümmertheit gab ihnen Rätsel auf, und Rammar machte dies noch misstrauischer gegen die Elfin. Sie führte etwas im Schilde, das stand für ihn fest – aber was?
Gegen Mittag vernahmen sie ein stetiges Rauschen, und schließlich gelangten sie an einen steilen Abbruch. Vorsichtig lugten Rammar und Balbok über die Kante. Tief unter ihnen toste ein reißendes, graublaues Gewässer, das sich im Laufe von Jahrtausenden einen Weg in den harten Stein gegraben hatte.
»Das ist der Eisfluss«, erklärte Alannah. »Weit oben an den Hängen des Nordwalls entspringt er und stürzt donnernd nach Süden, wo er das Scharfgebirge durchfließt und das Reich der Zwerge teilt.«
»Was du nicht sagst«, entgegnete Rammar grimmig, dem diese blumige Redeweise zuwider war. »Und wie sollen wir auf die andere Seite gelangen?«
»Es gibt eine Brücke«, behauptete die Elfin. »Zwerge, die dem Elfenkönig treu ergeben waren, haben sie einst errichtet.«
Über den schmalen Pfad, der an der Abbruchkante entlangführte, setzten sie ihren Weg fort, und nur wenig später stießen sie tatsächlich auf die Brücke – ein schmales Gebilde, errichtet aus grobem Stein, das die Schlucht in weitem Bogen überspannte. Sie war alles andere als Vertrauen erweckend und nur an die zwei knum'hai breit – also breit genug für einen Zwerg, für einen Ork aber gefährlich schmal. Eine Brüstung gab es nicht.
Balbok stellte denn auch gleich die entscheidende Frage: »Da sollen wir rüber?«
»Nie und nimmer!« Rammar schüttelte heftig den Kopf. »Euch wird das Ding tragen, aber unter meinem Gewicht wird es einstürzen.«
»Selbst schuld«, sagte Balbok voller Genugtuung. »Was musstest du auch fressen, während ich hungerte? Geschieht dir ganz recht.«
»Es geschieht mir recht? Du willst, dass ich in die Tiefe stürze? Nach allem, was ich für dich getan habe?«
»Ich habe auch meinen Beitrag geleistet«, stellte Balbok klar. »Und ich habe baish für uns alle über den Pass geschleppt, anstatt mich allein daran satt zu fressen.«
»Na und? Dafür hatte ich stets ein Auge auf die Elfin.«
»Wie denn das? Du bist die ganze Zeit vorausgegangen und konntest sie nicht sehen!«
Das war leider wahr, und Rammar fühlte sich von seinem Bruder in die Enge gedrängt. In einer solchen Situation ging er stets zum Gegenangriff über. »Du hässlicher Hundsfott von einem Bruder!«, legte er los. »Ohne mich wärst du von dem Ghul gefressen worden. Und ich war es
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