Die Orks 03 - Das Gesetz der Orks
Klauen voll zu tun. Dem einen Angreifer hatte der hagere Ork die Nase aus dem Gesicht gebissen und ihn dann mit der Bootsaxt um einen Kopf kürzer gemacht. Der andere Dunkelelf jedoch erwies sich als mordsgefährlicher Gegner. Leichtfüßig tänzelte er um Balbok herum und traktierte ihn fortwährend mit kleinen Hieben und Stichen, die allesamt nicht tödlich waren, jedoch ziemlich schmerzhaft – und den sonst eher gleichmütigen Ork ärgerten.
»Was soll das?«, rief er zornig. »Halt gefälligst still, damit ich dich in Stücke hacken kann!«
Wuchtig schwang er die mörderische Axt, aber wieder zerteilte das Blatt nur leere Luft. Mit atemberaubender Schnelligkeit wirbelte der Dunkelelf herum und brachte Balbok abermals eine blutende Wunde bei, diesmal am rechten Bein; der große Ork fiel zu Boden, und sein Gegner holte zum kro-buchg aus – zum Todesstoß!
Auch Alannah war in Schwierigkeiten. Lhurian hatte sie ermahnt, bei ihm zu bleiben, aber als die Wachen wütend über sie herfielen, waren sie getrennt worden. Von einem schwarz gewandeten Gegner bedrängt, von dem sie nur die Mundpartie sehen konnte, weil eine lederne Haube die obere Hälfte des Gesichts bedeckte, war sie bis zur Höhlenwand zurückgewichen – nun gab es kein Entkommen mehr.
Mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen blickte die Elfin ihrem sicheren Ende entgegen und riss abwehrend die Hände empor, obwohl sie wusste, dass sie so den tödlichen Stahl nicht aufhalten konnte. Sie erwartete, dass er ihr Herz durchbohrte – aber unvermittelt hielt ihr Gegner in seiner Bewegung inne, und die Klingenspitze verharrte nur wenige Fingerbreit vor Alannahs Brust in der Luft.
Instinktiv wich die Elfin zur Seite aus, weil sie glaubte, das Schicksal hätte ihr einen letzten zusätzlichen Atemzug verschafft – aber die Klinge machte keine Anstalten, sich weiter nach vorn zu bewegen. Reglos verharrte sie – und mit ihr der Krieger, der sie geführt hatte. Mitten in der Bewegung erstarrt stand er da. In Ausfallposition hatte er sich nach vorn geworfen und die ganze Kraft in den Todesstoß gelegt – wie es möglich war, dass sich diese Kraft plötzlich in nichts aufgelöst hatte, war Alannah ein Rätsel.
»Was bei Farawyns Gabe …?«
»Steh nicht rum, als würde die Zeit auch für dich stillstehen«, rief ihr plötzlich jemand zu. »Hilf den anderen!«
Alannah fuhr herum. Es war Lhurian, der gesprochen hatte, allerdings zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch, sodass sie seine Stimme nicht gleich erkannt hatte. Der Zauberer stand in der Mitte der Höhle, den Stab mit beiden Händen vor sich haltend und am ganzen Körper bebend.
Die Züge des alten Mannes waren purpurrot, die Adern an den Schläfen weit hervorgetreten, seine Armmuskeln zum Zerreißen gespannt. Fast sah es aus, als würde der Stab aus eigener Kraft vor ihm in der Luft schweben und wollte sich um sich selbst drehen und als kostete es den Alten seine ganze Kraft, ihn daran zu hindern.
»Worauf wartest du?«, stieß er unter höchster Anstrengung hervor. »Die Zeit lässt sich nicht ewig aufhalten!«
In diesem Moment begriff die Elfin.
Lhurian hatte etwas getan, das sie noch vor wenigen Augenblicken schlicht für unmöglich gehalten hätte: Er hatte den Fluss der Zeit verlangsamt!
Die gesamte Umgebung – alles, was sich in unmittelbarer Nähe befand – schien wie erstarrt: die Sklaven, die Angreifer und natürlich auch ihre Gefährten. Rammar, um dessen Hals sich eine Peitsche gewickelt hatte, stand da mit weit aufgerissenem Maul und rang nach Atem; Balbok war verwundet zu Boden gegangen und erwartete die tödliche Klinge seines Gegners, und auch die Piraten, von denen nur noch zwei am Leben waren, hätten die nächsten Augenblicke wohl nicht überstanden, wäre die Zeit mit der gewohnten Geschwindigkeit verstrichen.
Durch Lhurians Zauber jedoch waren diese Augenblicke in die Länge gedehnt worden. Wenn man genau hinsah, konnte man erkennen, dass sich die Kämpfenden noch immer bewegten, aber sie taten es nur äußerst langsam. Warum sich der absonderliche Effekt nicht auch auf sie bezog, konnte die Elfin nur vermuten. Vielleicht, weil sie einst selbst eine Zauberin gewesen war. Vielleicht auch, weil Lhurian es so wollte.
Der Zauberer ließ ein Stöhnen vernehmen, und Alannah glaubte zu erkennen, dass sich die Bewegungen der Umherstehenden ein wenig beschleunigten. Sich gegen den Zeitfluss zu stemmen musste den Alten unglaubliche Kraft kosten, und es war
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