Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
ihnen zu sein. Und das Mozart-Kostüm passte ja nach Wien. Obwohl Jakob den Kopf schüttelte und immer ungeduldiger wurde, zog er seine Erstarrungsnummer durch, während aus einem Gettoblaster, der am Fuße der Wand auf dem Teppichboden stand, weiter die klassische Musik in den Raum strömte.
Soweit sie das sehen konnte, bestand die Wohnung vor allem aus diesem einen großen Zimmer, in dem sich bunt bezogene Matratzen, ein abgewetztes dunkelbraunes Ledersofa und zwei Sessel befanden – abgesehen von dem Durcheinander an benutztem Geschirr, Büchern, Zeitschriften, einer Gitarre an der Wand und einem zugeklappten Laptop, der neben dem Sofa auf dem durchgelaufenen Teppich lag. Auf einem kleinen Regal an der Wand stand ein benutzter Aschenbecher, daneben eine rechteckige Metalldose mit der charakteristischen Abbildung einer gezackten Hanfpflanze.
Sie befanden sich im obersten Stock eines Gebäudes in der Nähe des Karlsplatzes, wo sich die markante Kirche mit den beiden Säulen befand, auf die Jakob Mara aufmerksam gemacht hatte. Als sie dann in diesem Haus die knarrenden Treppen hinaufgegangen waren, hatten sie schmutzige Fenster passiert, die auf einen engen Hof hinaussahen – so eng, dass er wie ein Schacht wirkte. Hinter manchen Wohnungstüren hatte sie laute orientalische Musik gehört. Einmal hatte Mara die Stimme eines Nachrichtensprechers vernommen, der wahrscheinlich türkisch sprach.
»Nun lass es gut sein«, sagte Jakob, aber Ron regte sich immer noch nicht. Die Melodie schwang sich noch einmal auf, das Klavier ließ das begleitende Orchester alleine, das nun das Thema wiederholte und in einen Schluss fand.
In dem Moment, in dem Stille herrschte, griff Jakob in die Tasche und holte eine Münze hervor, die er vor dem lila Amadeus auf den Teppich warf. Und in derselben Sekunde verbeugte sich Ron mit seinem Kratzfuß, stellte sich hin und war wieder ein lebendes Wesen – wenn auch mit seltsamem Aussehen.
»Hast du die Karriere als Straßenmusiker aufgegeben?«, fragte Jakob.
Ron bewegte die Hände, als hätte er sie neu bekommen und müsste sie erst ausprobieren. »Man muss immer wieder neue Wege einschlagen«, sagte er. »Das mit den Figuren ist populärer. In dieser Stadt erklingt auch ohne mich so viel Musik, da muss ich nicht noch mehr hinzufügen.«
»Ist es nicht ein bisschen zu spät dafür?«, fragte Mara, die es überhaupt nicht störte, dass man hier keinen Wert auf ordentliche Vorstellung legte. »Ich bin übrigens Mara.«
Erst jetzt schien Ron sie zu bemerken. »Nein, es ist eher zu früh. Die Saison beginnt im nächsten Frühjahr. Bis dahin will ich ein Meister in dieser Kunst sein. Ausdauer ist das Wichtigste. Ich hatte schon eine Stunde hinter mir, bevor ihr kamt.« Er wies auf das abgeschabte Sofa: »Setzt euch, ich schminke mich ab.«
»Ich würde lieber keine Zeit verlieren und sofort mit dir reden«, sagte Jakob. »Vielleicht während du mit dem Abschminken beschäftigt bist.«
»Kein Problem.«
Erst jetzt bemerkte Mara eine Tür auf der anderen Seite des großen Raums. Dort ragte eine Wand wie eine ausladende Ecke hervor. Wahrscheinlich war es eine Seitenkammer, die erst später eingebaut worden war. Als Ron mit raschelnden Seidengewändern hinübergegangen war und die Tür geöffnet hatte, wurde dahinter ein kleines Bad sichtbar. Ron stellte sich vor das Waschbecken, zog Hut und Perücke herunter und öffnete eine Dose mit dicker weißer Paste.
»Sprich«, sagte er, während er sich einschmierte und die lila Farbe zu einem undefinierbaren Brei wurde.
»Können wir heute Nacht bei dir bleiben?«
»Klingt, als sei die Mafia hinter dir her. Oder die Polizei.« Ron griff in einen Karton mit Kleenex-Tüchern, wischte und begann von Neuem, die Paste aufzutragen.
»Ich kann darüber nicht sprechen«, sagte Jakob. »Aber wir stecken in gewissen Schwierigkeiten.«
»Es gibt Schwierigkeiten, die nichts mit der Polizei zu tun haben?« Er wischte weiter.
»Sie werden jedenfalls nicht plötzlich vor der Tür stehen.«
»Gut. Das wäre wichtig. Und eine zweite Bedingung …«
In diesem Moment fiel Mara noch etwas auf: Einige der Zeitschriften die auf dem Tisch neben dem Sofa herumlagen, zeigten Fotos von muskelbepackten Jungs in knappen Tangas, eine andere zwei Frauen, die wie die Sängerinnen der Gruppe ABBA aussahen. Als Mara genauer hinsah, erkannte sie jedoch, dass es Männer in Frauenkleidung waren, Transvestiten.
»Und die wäre?«
»Du erzählst mir, worum es geht.«
»Aber
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