Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
du brauchst keine Angst vor der Polizei zu haben.«
»Trotzdem …«
Ron hatte endlich genug herumgewischt. Er stellte das Wasser an, senkte den Oberkörper und wusch sich das Gesicht. Dann griff er zu einem Handtuch.
»Es hat damit nichts zu tun.« Er lächelte Jakob an und sah auffordernd auch zu Mara herüber. »Ich bin einfach neugierig.«
Als sich Ron seines Mozart-Kostüms entledigt hatte, zeigte er sich als junger Mann um die dreißig. Sein rundes Gesicht wurde von einem ständigen breiten Lächeln beherrscht, in seine blauen Augen fielen hellbraune Rastalocken. Als er aus dem Bad kam, trug er ausgewaschene Jeans und ein graues Sweatshirt mit der Aufschrift »Yale University«. Er war barfuß, und Mara fiel eine starke Behaarung an der Oberseite seiner Füße auf.
Kurz darauf hatte Ron aus irgendeinem Vorratsschrank eines zweiten Verschlags, der wohl eine Küche war, drei kalte Flaschen Bier und ein paar Tüten Chips hervorgeholt. Dann hatte er sich ungeniert einen Joint gedreht – nicht ohne Mara und Jakob einen anzubieten. Sie hatten aber dankend abgelehnt und nippten an ihren Gläsern.
»Also, was ist nun – warum seid ihr hier?«, fragte Ron, und erst jetzt bemerkte Mara einen leichten Akzent in seiner Stimme. »Kommst du aus Amerika?«, fragte sie.
Ron schüttelte den Kopf. »England. Eigentlich wollte ich Musik studieren, aber am Konservatorium in London haben sie mich nicht genommen. Da habe ich es in Wien versucht, aber das hat auch nicht geklappt. In den ersten Tagen habe ich mich dann einfach auf den Karlsplatz gestellt und zur Gitarre Lieder gesungen – und bald habe ich gemerkt, dass ich gar nicht studieren muss, um über die Runden zu kommen.« Er sah Mara versonnen an und zog an seinem Joint. Die Spitze glühte auf, und dann entströmte Rons Mund ein Schwall von süßlich-würzig duftendem Rauch. »Du heißt Mara?«, fragte er und betrachtete sie genauer. Sie wusste, was kam.
»Ich bin Mara Thorn, die Geigerin.«
Ron hob die Augenbrauen. » My Goodness – tatsächlich? Ich habe schon bemerkt, dass du ihr, also ich meine dir …« Er brach in Gelächter aus und hustete. »Dass du dir ähnlich siehst, wollte ich sagen …« Er sah zu Jakob hin, der aber seltsam ernst wirkte. Mara kam der Gedanke, dass er die Entscheidung bereits bereute, bei dem neugierigen Ron Unterschlupf zu suchen.
»Mara Thorn«, sagte Ron und sah kopfschüttelnd vor sich hin. »Das ist ja ein Ding. Neulich habe ich irgendwo gelesen, dass du deine Karriere aufgegeben hast … Schade, sonst hätte ich dich sofort gefragt, ob du in deiner Band noch einen guten Gitarristen brauchst. Oder einen, der als Mozart auftritt … Ja!« Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn. » Great idea! Du spielst doch Klassik, oder? Und wenn du dann da mit der Geige stehst, kommt plötzlich von hinten eine große lila Gestalt auf die Bühne. Sie ist von Nebel umgeben, sie schält sich nur nach und nach heraus, wird nur langsam für das Publikum sichtbar … Und während du Mozart spielst, tritt Mozart hinter dir auf. Natürlich siehst du das nicht, weil ich ja von hinten komme, aber dann bemerkst du mich …« Seine Augen wurden glasig. »Und es törnt dich irgendwie an. Die Musik wird immer wilder, immer … Verstehst du, was ich meine? Du hast doch auch immer so sexy Klamotten an. Du wiegst die Hüften im Takt … Und da kommt der Mozart auf die Bühne, streckt von hinten seine Hand nach dir aus. Er ist wie ein Schatten, seine Hand wirkt natürlich viel größer als in Wirklichkeit … Special effect , verstehst du? Und dann …«
Ein lauter Knall unterbrach Rons Fantasien. Jakob hatte auf den Tisch geschlagen, eine Flasche fiel um, und gluckernd ergoss sich Bier auf den Teppich.
»Kannst du mal aufhören?«, schrie er, plötzlich ganz rot im Gesicht. »Wir sind nicht hergekommen, um deine blöden Fantasien erzählt zu bekommen.«
»Blöde Fantasien?«, wiederholte Ron, nicht im Geringsten böse oder abwehrend. Er griff nur nach der Flasche, die schon fast leer war, und stellte sie wieder hin. Auf dem Teppich hatte sich ein großer dunkler See gebildet, von dem Alkoholgeruch ausging. »Ich will nur, dass Mara ihre Karriere weiterführt. Sie ist so gut, sage ich dir. Ich habe da ein paar Videos im Internet gesehen …« Er seufzte und lehnte sich zurück. Dann drückte er den Joint in einem gläsernen Aschenbecher aus, der auf der Handstütze des Sessels bereitstand.
»Es hat einen Grund, dass ich nicht mehr spiele«,
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