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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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diesem Moment leibhaftig vor ihr gestanden hätte – sie wäre ihr an die Gurgel gegangen.
    Da irrst Du gewaltig. Ich bin die Berechtigte. Ich bin der Abkömmling der Sekte, der Familie oder was auch immer das ist, was diese Geheimnisse unter Verschluss gehalten hat. Und ich werde finden, was davon noch übrig ist. Ich werde nicht ruhen, bis ich es endlich habe.
    Maras Finger tippten immer schneller. Beim Schreiben dämmerte ihr, dass Deborah vielleicht versuchte, ein paar eigene Worte dazwischenzukriegen, aber Mara ließ es nicht zu. Gleichzeitig spürte sie, dass das Herausströmen der Buchstaben, das mit dem Klappern der Tastatur einherging, für eine Befreiung sorgte, wie sie sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Es war, als hätte sich etwas in ihr verselbständigt, als würde sich etwas Neues regen, eine Kraft, von der Mara gar nicht wusste, dass sie überhaupt existierte. Und je mehr sie schrieb, desto mächtiger wurde diese Kraft, sie entschlüpfte hinaus in die Welt, sie reckte und sie streckte sich, und Mara fühlte sich, als könne sie Bäume ausreißen.
    Und weißt Du was? Die Idee, die Melodien des Orpheus zu nutzen, ist sehr gut. Aber dafür brauche ich Dich nicht. Du kannst mir gestohlen bleiben mit Deiner aalglatten Art und mit Deiner kriminellen Energie, die schon zwei Menschen das Leben gekostet hat. Ich werde der Polizei gegenüber wahrscheinlich nicht beweisen können, dass Du und Dein komischer amerikanischer Freund Quint dahinterstecken, aber ich weiß es, und das reicht mir. Ich werde nicht ruhen, bis ich das Geheimnis ergründet habe. Ich werde nicht ruhen, bis ich alles weiß. Ich werde nicht ruhen, bis ich dort gewesen bin, wo sich die Orphiker getroffen haben und wo ihr Erbe immer noch lebendig ist. Ich werde …
    Mara spürte Jakobs Hand auf ihrem Unterarm. Er hielt sie fest, aber es gelang ihr noch, die Entertaste zu drücken. Die ganze Tirade, die sie geschrieben hatte, stand nun im Chatkasten. Mara stellte sich vor, wie Deborah wo auch immer vor dem Bildschirm saß und sie las. Wahrscheinlich war sie kaum beeindruckt von dem, was Mara da abgelassen hatte, und ganz sicher war es Mara nicht gelungen, sie einzuschüchtern, aber die Sache war draußen. Sie war in der Welt, und Deborah musste nun wissen, dass sie sich von der ängstlichen, unsicheren Mara, die bisher wie eine Anfängerin durch die Welt der Musikindustrie getappt war, verabschieden musste.
    »Du solltest ihr das nicht alles so explizit schreiben«, sagte Jakob. »Sehen wir lieber zu, dass wir hier wegkommen. Dieser Quint kann jeden Moment zurückkehren.«
    »Sie soll wissen, mit wem sie es zu tun hat.«
    Deborahs Avatar stand da und starrte vor sich hin.
    »Sie schreibt gar nichts«, sagte Jakob. »Komisch. Ich hätte erwartet, dass sie sich zur Wehr setzt.«
    Und da leuchtete der grelle Blitz auf. Als die weißen Strahlen in sich zusammengesunken und verschwunden waren, war die Landschaft mit den grünen Hügeln leer. Der blaue Himmel senkte sich über den künstlichen Horizont. Die Holzhütte wirkte verlassen.
    »Stell den Computer aus«, sagte Jakob.
    Mara loggte sich aus, fuhr den Rechner herunter, und der Bildschirm erlosch.
    Unwillkürlich lauschte Mara, ob sie etwas in dem großen Haus hörte.
    »Hast du das eben ernst gemeint?«, fragte Jakob, der nur noch ein dunkler Schemen neben Mara war.
    »Was meinst du?«
    »Du willst alles aufklären? Du willst den Ort in Italien finden? Du willst allem auf den Grund gehen?«
    »Ja«, sagte Mara. »Das habe ich eben geschrieben – und das habe ich auch so gemeint.«
    »Und du vertraust mir? So sehr, dass wir es zusammen angehen können?«
    Einige Sekunden lang hörte Mara nichts als den eigenen Herzschlag. Sie war nicht aufgeregt. Ihr Puls wummerte ruhig durch ihren Körper. Es war der Grundbeat ihrer Seelenmusik. Ein Takt, der ihr Festigkeit und Einteilung verlieh. Seltsam, dass ihr das gerade jetzt auffiel. Man hatte ja Musik in sich. Zumindest den Beat. Die Frage war, welche anderen Rhythmen und welche Melodien man draufsetzte, um diese Musik des Lebens zu unterstreichen.
    Plötzlich näherte sich Jakob, und sie spürte etwas Weiches, Warmes auf der Wange. Einen Kuss.
    In Maras Innerem machte etwas einen Luftsprung, aber das, was sie fühlte, hatte nichts mit sexueller Erregung zu tun. Es spielte sich rein auf seelischer Ebene ab. Ihr Pulsschlag reagierte darauf mit einer leichten Beschleunigung.
    »Wir müssen hier weg«, sagte er. »Wir sind hier nicht sicher. Du

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