Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
sagte Mara. Sie bemühte sich, so ernsthaft wie möglich zu klingen.
Ron sah sie an. Auch er wirkte, als ob er ganz und gar bei der Sache wäre.
»Sie hat einen Grund«, wiederholte Jakob, der offenbar vermeiden wollte, dass sich das Gespräch zwischen Ron und Mara weiterentwickelte. »Sie steckt in Schwierigkeiten. Und nur ich kann ihr helfen.«
Wie schwach Jakob plötzlich wirkte. Und wie einfach die Verbindung zu Ron war. Sie musste dem Engländer nichts erklären, alles ergab sich von selbst. Nein, dachte Mara. Ron darf aber nichts erfahren. Wir verstecken uns hier bei ihm, und morgen früh ziehen wir weiter.
»Was für ein Problem hat sie?«, fragte Ron. »Was für ein Problem habt ihr ? Seid ihr zusammen, oder was ist los? Ihr seht aus, als ob ein Killer hinter euch her wäre.«
Jakob blickte zu Mara.
»Es ist ziemlich kompliziert«, sagte sie. »Ich habe Ärger mit meinem Manager. Er ist plötzlich … gestorben. Sein Bruder hat dann die Firma übernommen. Da gibt es vertragliche Probleme …«
Ron kniff die Augen zusammen. »Er ist nicht einfach nur gestorben , oder? Er ist auf gewaltsame Weise umgekommen. Auch das hat im Internet gestanden.«
»Da wird viel geschrieben«, sagte Mara schnell. »Es war ein Verkehrsunfall. In der Nähe von Berlin. Seitdem ist nichts mehr, wie es war. Der Bruder will von Musik nichts wissen, er stellt die ganze Firma um …«
»Und er will Geld von Mara«, ergänzte Jakob. »Und deswegen muss sie sich eine Weile verstecken. Niemand weiß, dass sie in Wien ist.« Er sah Ron an. »Kapierst du jetzt?«
Er nickte heftig. »Ja, ja … ich kapiere. Das ist eine Scheißsituation, weil sie, wenn ich das richtig verstehe … nicht auftreten kann. Man darf sie nicht sehen.«
»Du hast es erfasst«, bekräftigte Jakob.
»Aber es kann doch nicht sein, dass du pleite bist«, wandte sich Ron an Mara. »Ich meine, ich habe nichts dagegen, dass du hier bist. Aber wäre es nicht besser, in ein Hotel zu gehen oder ein Zimmer zu mieten?«
»Du hast keine Ahnung, wie das läuft«, sagte Jakob. »Die Presse ist hinter ihr her. Die Leute, die für den Bruder des Managers arbeiten, haben ihre Spitzel überall. Die würden sofort rauskriegen, wenn sie irgendwo absteigt. Sie wird doch erkannt. Die Sache steht im Internet, wie du selbst schon gesagt hast. Sie braucht ein unauffälliges Versteck. Und da habe ich gedacht, du könntest uns helfen.«
»Hast du einen Internetzugang hier?«, fragte Mara. »Ich will mir mal ansehen, was sie so über mich schreiben.«
Ron rappelte sich aus dem Sessel auf. »Ja sicher.« Er wies auf den Laptop, den Mara neben dem Sofa gesehen hatte. » One second …«
Er klappte das Gerät auf und legte es Mara auf den Schoß. Ron hatte WLAN-Anschluss. Sie war online. Sie brauchte nur den Browser zu öffnen.
Deborah lag in der Badewanne und betrachtete ihr eigenes vom Dunst unscharfes Bild in dem großen beschlagenen Wandspiegel.
Es klopfte.
Sie verteilte den Schaum, senkte sich etwas tiefer in die Wanne und sagte: » Come in. «
Quints Blick verriet, dass er sich auf das Betreten des Badezimmers gefreut hatte. Und ganz sicher hätte er gerne mehr von ihr gesehen. Doch jetzt war nicht der Zeitpunkt, diese Reize einzusetzen.
Quint ging ein paar Schritte in den Raum hinein. Deborah sah ihn an und spürte eine heiße Flamme von Hass in sich aufsteigen. Der Mann zog eine Spur der Verwüstung hinter sich her. Und eine Spur der Niederlagen. Gut – er hatte Gritti so um die Ecke gebracht, dass die Polizei der Ansicht war, er sei bei einem Unfall ums Leben gekommen.
Und Maras Entführung, der gescheiterte Mord an ihr. Das war eine Prüfung gewesen. Eine Prüfung des Schicksals, die Mara oder das Schicksal – das konnte man sehen, wie man wollte – bravourös bestanden hatte. Und dann das Treffen auf der Donauinsel. Bestens geplant, mit einem Motorboot als Fluchtmöglichkeit. Und trotzdem war nun einer von Maras seltsamen Helfern tot, die Geige war zerstört – ohne dass sie ihr Geheimnis hatte lüften können.
»Die Durchsuchung der Wohnung dieses Wessely hat mir viele Informationen gebracht«, sagte Quint.
Sie seufzte und hob die Hand. Auf dem Rücken lag ein Ballen Schaum. Wasser tröpfelte herab. »Mich interessiert, ob wir Mara wiederfinden.«
»Sicher.« Er schielte auf die Stelle der Wasseroberfläche, wo sich Deborahs Hand befunden hatte. Dort war nun ein Loch im Schaum – genau über dem rechten Oberschenkel. Sie beschloss, ihm den Blick zu
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