Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
lag. Sie wusste es nicht mehr.
Die Türen des Aufzugs wollten sich schließen, da eilte jemand heran und zwängte sich noch herein. Er sah genau so aus, wie sich Mara die Anwälte vorstellte, die hier ihre Kanzleien besaßen. Blauer Anzug, verspielte Krawatte in Grün mit roten Einsprengseln, kurzes Haar, glatt rasiert. Höchstens zwei Jahre älter als Mara.
»Wohin, schöne Frau?«, fragte er und zwinkerte. Er hatte bemerkt, dass sie noch für keine Etage gedrückt hatte. Dafür presste er seinen Zeigefinger auf einen der Knöpfe weiter oben. Die Kabine setzte sich in Bewegung. »Vielleicht kann ich Ihnen helfen?« Er versuchte ein anzügliches Lächeln. Er ahnte wahrscheinlich, dass sie hier nichts zu suchen hatte.
»Ich suche die Wohnung von John Gritti«, sagte sie. »Ich bin dort verabredet.«
»Sagt mir nichts. Aber Sie hätten doch den Doorman fragen können.«
»Ich werde es schon finden. Ich war schon ein paar Mal da.«
»Das hat wenig Zweck. Es stehen keine Namen an den Türen. Vielleicht fragen wir doch lieber mal unten nach.«
Der Aufzug erreichte die Etage, in die der Mann wollte. »Ich weiß es wieder«, sagte sie. »Es ist weiter unten.«
»Sind Sie sicher?«
Anstatt eine Antwort zu geben, knallte Mara die Hand auf den Knopf. »Wollen Sie nicht aussteigen?«, fragte sie.
Er verließ die Kabine. Mara fuhr wieder ein paar Etagen nach unten. Sie holte den Schlüsselbund hervor und starrte ihn an. Erinnere dich, sagte sie sich. Du bist hier schon mal gewesen. Erinnere dich wenigstens an die Etage.
Die Kabine hielt. Als Mara sie verließ, stand sie plötzlich vor einer Wasserfläche. Es war so etwas wie ein Pool, allerdings nur wenige Zentimeter tief. Eine architektonische Verschönerung. Darüber erhob sich wie ein Turm das weitere Gebäude. Der obere Bereich des Turms war zum Nachthimmel hin offen. Mara fröstelte. Es war hier so kalt wie im Freien.
Innen liefen Laubengänge entlang. In regelmäßigen Abständen gab es Türen, die zu den Wohnungen führten. Und da fiel ihr ein, was sie bei ihrem letzten Besuch gesehen hatte. Damals war das große Wasserbecken gerade gebaut worden. Das Haus war noch nicht ganz fertig gewesen, überall hatte es von Arbeitern gewimmelt.
Sie blickte nach oben. Dort musste sie hin. An einem dieser Flure lag Johns Wohnung. Irgendwo in einer Ecke. Die letzte Tür vor einer Ecke …
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie sich der Aufzug wieder schloss. Ein schleifendes Geräusch ertönte. Die Kabine bewegte sich. Ob der geschniegelte Typ jemanden vom Sicherheitsdienst benachrichtigte? Der Mann vom Empfang würde in null Komma nichts hier sein und unangenehme Fragen stellen …
Sie wandte sich den Stufen zu, die in einem Treppenhaus nach oben führten, und hetzte los. Sie schienen kein Ende zu nehmen. Maras Herz raste, und der Schweiß rann ihr vom Gesicht, als sie um die Ecke bog. Sie sah über die Brüstung hinunter in den riesigen Schacht, auf dessen Grund das Wasserbecken lag. Die Glastür, die den Innenbereich vom Aufzug trennte, ging auf, und ein Mann in dunkler Kleidung und mit Schirmmütze kam heraus.
Mara setzte sich in Bewegung. Der Typ im Fahrstuhl hatte recht gehabt. Es gab keine Namen an den Türen.
Sie sah hinter sich. Wo war der Pförtner hin? Hatte er sie gesehen? War er ihr auf den Fersen? Kam er mit dem Aufzug herauf oder zu Fuß?
»Hallo! Sie da! Warten Sie!«
Vom anderen Ende des Gangs schritt der Sicherheitsmann auf sie zu.
Mara lief weiter. Sie musste den Knopf auf dem elektronischen Schlüssel drücken. Das richtige Schloss würde sich öffnen. Sie hielt das Plastikteil im Vorbeigehen vor jede Tür und presste den Daumen darauf. Nichts geschah.
»Bleiben Sie bitte stehen.«
Ein dumpfes Klacken. Eine Tür hatte reagiert.
»Keine Zeit«, sagte Mara, ging hinein und machte hinter sich zu. Jetzt stand sie im Dunkeln.
Konnte der Wachmann hier herein? Hatte er einen Generalschlüssel? Nein, das war eigentlich unmöglich. Niemand durfte so einfach eine der Wohneinheiten betreten, schon gar nicht hier …
Oder waren alle Schlüssel aus Sicherheitsgründen irgendwo hinterlegt, damit man im Notfall die Räume betreten konnte?
War das hier ein Notfall?
Sie war nicht eingebrochen, sie hatte nichts Unrechtes getan. Sie war im Besitz eines Schlüssels …
Sie presste ihre Schläfe an die Türfläche und versuchte zu hören, was draußen vor sich ging.
Da waren Schritte. Jetzt verstummten sie. Wahrscheinlich stand der Wächter genau vor der
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