Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Verhältnis zwischen Kirche und Staat ab, der nach Gelasius die folgenden Jahrhunderte beherrschen sollte – bis hin zur Konfrontation zwischen Heinrich IV . und Papst Gregor VII . im 11. Jahrhundert, aus der die Kirche so stark hervorgehen sollte, wie sie nie vorher gewesen war.
Spuren im Mauerwinkel
Mitten im Zweiten Weltkrieg stießen Archäologen unter der Peterskirche auf Knochen, die fromme Katholiken heute als Überreste des Apostels verehren dürfen.
Von Angelika Franz
Tote wollte natürlich keiner in der Stadt haben. Draußen vor den Stadttoren mussten sie liegen, in der Stadt vor der Stadt – der Totenstadt. Auch hier gab es Straßen und Häuser. Prachtbauten mit Gärten darum für die Reichen, mehrgeschossige Grabhäuser für große Familien, enge Gassen und billige Hütten für die Armen.
Wer zu Zeiten des Kaisers Nero der unteren Mittel- oder oberen Unterschicht angehörte – ein freigelassener Sklave mit etwas Privatvermögen etwa oder ein Handwerker, ein Friseur, ein Ölverkäufer –-, der konnte sich beispielsweise in der Via Cornelia einen Liegeplatz für die Ewigkeit erwerben. Das Sträßchen führte an der Nordmauer des Neronischen Circus vorbei durch den Ager Vaticanus, der weiten spärlich bebauten Fläche auf der rechten Tiberseite.
Einen Grabplatz bekam hier selbstverständlich nur, wer eines ehrenwerten Todes gestorben war. Hingerichtete Verbrecher landeten direkt im Tiber, auf der städtischen Müllkippe oder im Magen der streunenden Hunde. Es sei denn, man hatte gute Freunde, die gegen ein entsprechendes Schmiergeld den Leichnam freikauften.
Solch ein Trupp guter Freunde huschte angeblich in einer Nacht des Jahres 64 oder 67 mit einem schweren Bündel vom nahen Circus über die Via Cornelia. Darin befand sich der Überlieferung zufolge die Leiche von Simon Petrus, gestorben am Kreuz im Circus des Kaisers als Anführer der Jünger eines gewissen Jesus von Nazareth. Zwar gibt es auch Forscher, die bezweifeln, dass Petrus überhaupt jemals in Rom war und er folglich auch dort nicht gestorben und begraben sein kann – doch die heute gängige Variante der Geschichte beginnt in jener Nacht auf der Via Cornelia.
In jener Nacht hätte niemand ahnen können, dass über dem unscheinbaren Grab des Petrus an der unprätentiösen Via Cornelia Jahrhunderte später eines der größten Sakralbauwerke der Welt stehen würde. Und dass der Ager Vaticanus nicht mehr vor den Toren der Stadt liegen, sondern das zweite Zentrum der Metropole bilden könnte. Aber fast zwei Jahrtausende sind eine lange Zeit, in der vieles geschehen und vieles vergessen werden kann. So auch die Via Cornelia und die genauen Ereignisse jener Nacht.
Im Jahr 1939 jedenfalls drängten sich in den Grotten unter dem Boden des Petersdoms die Skelette von Päpsten und Königen vergangener Tage. Als nun Papst Pius XI . das Zeitliche segnete, beschloss sein Nachfolger Pius XII . endlich den schon lange notwendigen Umbau der Grotten, um weiteren Platz zu schaffen. Man hatte eine ungefähre Ahnung davon, was man beim Aushub finden würde: Sarkophage vergangener Zeiten. Doch schon bald merkten die Arbeiter, dass sie es hier nicht mit wahllos in der Erde platzierten Einzelgräbern zu tun hatten – sondern mit einer römischen Totenstraße, an der sich dicht an dicht die Mausoleen drängten.
Pius XII . ließ sofort die Arbeiten stoppen und änderte seinen Plan. Der Umbau der Grotten konnte warten. Nicht aber die Neugier auf das, was seit all den Jahrhunderten unter dem Herzen des Kirchenstaates geschlummert hatte. Der Papst gab den beiden Archäologen Antonio Ferrua und Engelbert Kirschbaum den Auftrag, dem Petersdom auf den Untergrund zu gehen. Damit nicht wissenschaftliche Neugier mit religiösen Interessen in Konflikt gerate, setzte er den beiden Forschern Monsignore Ludwig Kaas vor, den »Sekretär der Hl. Kongregation des Ehrwürdigen Gebäudes Sankt Peter«.
Historische Unterwelt
Während über der Erde ein Weltkrieg wütete und endete, schaufelten unter St. Peter die Arbeiter unter Ausschluss der Öffentlichkeit die Mausoleen der alten Via Cornelia frei. Pius XII . stieg oft in die Tiefe hinab, um sich von Kaas höchstpersönlich den Fortschritt der Ausgrabungen zeigen zu lassen. Langsam nahmen die unterirdischen Mauern Gestalt an. Und bald wurde klar: Kaiser Konstantin hatte seinen Dom um das Jahr 324 nicht einfach hingestellt – er hatte die Landschaft für seine Basilika drastisch verändert.
Während hügelauf den
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