Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
Vom Netzwerk:
sterblichen Überresten des Apostels gehören, was jedoch ohne Bedeutung für die geschichtliche Wirklichkeit des Grabes ist.«
    Ganz so wirklich, wie Pius XII . das Grab gern hätte, war es allerdings nicht. Ausgräber Kirschbaum distanzierte sich später deutlich von der felsenfesten Meinung des Papstes. »Materielle Teile« des Grabes, so der Archäologe, seien nicht vorhanden gewesen. Aber immerhin sei der kleine Hof mit der Schmuckfassade jener Ort gewesen, von dem die Christen des 2. Jahrhunderts glaubten, es sei das Grab.

Der tatkräftige Zauderer
    Lieber wäre Gregor der Große ein frommer Mönch geblieben. Doch nachdem die Römer ihn zum Bischof gemacht hatten, erwies er sich als genialer Organisator. Einmal kaufte er sogar seine Stadt frei.
    Von Gerhard Spörl
    Er war ein Mann zwischen den Epochen und führte ein exemplarisches Leben. Sein Glaube zeugte von einem unabhängigen Geist. Mit großer Entschiedenheit trat er für Toleranz ein, auch gegenüber den Juden. Zudem besaß er eine ungewöhnliche Doppelbegabung für Denken und Handeln. Dabei wollte er eigentlich nur ein Mönch sein, kein Papst.
    Er war eben auch ein Grübler und Zauderer, er dachte an Flucht, als sich abzeichnete, dass er Papst werden sollte. Er hätte das Leben im Kloster der Stellvertretung Christi auf Erden vorgezogen. Doch die Römer wollten ihn als Papst. Es war im Kern eine Volkswahl, die der oströmische Kaiser nur noch bestätigte. Nach seinem Tod verliehen sie ihm einen seltenen Titel: der Große. So wurde er zu einem der vier Kirchenväter des spätantiken Abendlands, neben Ambrosius, Hieronymus und Augustinus.
    Was die Nachwelt von Gregor weiß, weiß sie vor allem aus seinen Briefen und aus einem hagiografischen Porträt, das Gregor von Tours, der Chronist der Merowinger-Dynastie, geschrieben hat. Ein Leben mit einem großen Bogen: Gregor, geboren um 540, stammte aus reicher römischer Familie. Sie stellte Senatoren in Tagen, als Rom der Mittelpunkt des Erdkreises war, und in christlicher Zeit waren schon zwei Päpste aus ihr hervorgegangen, Felix III . (gestorben 492) und Agapitus I . (gestorben 536).
    Gregor bekam die denkbar beste Ausbildung in Grammatik, Dialektik und Rhetorik. In der Spätantike mündete eine solche Herkunft fast zwangsläufig ins öffentliche Leben. So wurde Gregor praefectus urbi, das war damals der oberste Beamte der Zivilregierung in Rom, zuständig für die Lebensmittelversorgung, für öffentliche Ordnung, Aquädukte und Mühlen, für öffentliche Gebäude. Soweit lebte Gregor ein Leben wie aus einem Guss.
    Eines seiner Vorbilder war der Kirchenlehrer Augustinus, und wie der Mann aus Hippo riss Gregor sich eines Tages gewaltsam aus diesem Leben voller Gediegenheit und Fülle heraus. Was die Krise verursacht hatte, wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass er mit seiner Vergangenheit brach, seinen Familien-Palast auf dem Caelius in ein Kloster verwandelte und Mönch wurde. Da war er 35 Jahre alt, nicht mehr jung; auch Augustinus war schon 32, als er sein Leben umwälzte.
    Das 6. Jahrhundert war eine Zeit der Auflösung. Das weströmische Imperium war gerade untergegangen, es war die Zeit der Völkerwanderung, des Ansturms germanischer Stämme, erst der Ostgoten, dann der Langobarden. Es kam häufiger vor in Rom, dass Senatoren, Patrizier und Frauen von hohem Rang sich von der Welt abwandten und sich dem Jenseitigen widmeten. Epochen des Umbruchs sind oft genug Epochen experimenteller Sinnsuche.
    Als Gregor Mönch wurde, setzten Klöster sich meistens eigene Regeln. Gregor hörte erst später von Benedikt von Nursia und dessen Regula Benedicti, die einfache Ernährung, feste Zeiten für das Gebet, die Schriftlesung und für Arbeit und Schlaf vorsahen. Voller Bewunderung schrieb er eine Hagiografie über Benedikt.
    Im Kloster hielt Gregor Einkehr bei Gott. Über die Möglichkeit, Gott denkend zu erkennen, schrieb er indes eher sokratisch als theologisch: »Vollkommenes Wissen besteht darin, alles zu wissen und dabei doch irgendwie nicht zu wissen, was man weiß. Denn so gut wir auch die Weisungen Gottes kennen, so gut wir das, was wir glauben verstanden zu haben, verwirklichen: Wir schauen noch nicht das Antlitz Gottes und kennen noch nicht seine Ratschlüsse.«
    Vier Jahre durfte Gregor Mönch bleiben, dann weihte ihn Papst Pelagius II . zum Diakon und schickte ihn als seinen Gesandten an den Kaiserhof in Konstantinopel. Was er dort tat, ist so gut wie unbekannt; das ist ungewöhnlich, weil er sechs

Weitere Kostenlose Bücher