Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
krasser für seine Nachfolger im Bischofsamt – auch für Clemens I. (um 91–etwa 101), den vierten Papst, wenn man Petrus als ersten mitzählt. Er ist wohl Freigelassener aus dem Hause eines Konsuls – und ihm wird seit der Mitte des 2. Jahrhunderts der sogenannte Erste Clemens-Brief zugeschrieben. Dieser mahnende Brief der römischen Gemeinde richtet sich an die Glaubensbrüder in Korinth, wo einige Presbyter abgesetzt worden waren. Seine Botschaft: Auch die Jungen in der Gemeinde müssten einsehen, dass die Ältesten nicht einfach abgesetzt werden können. Gott selbst habe die Nachfolge im Ältestenamt so geregelt, und dem müsse die Gemeinde folgen.
»Sonne, Mond und die Chöre der Sterne durchwandern nach seiner (Gottes) Anordnung in Eintracht ohne jede Abschweifung die ihnen verordneten Bahnen«, heißt es im Text; diese kosmische Ordnung sei auch das Maß der Gemeinde-Moral. In der Unabsetzbarkeit der Presbyter deutet sich die spätere Unantastbarkeit des monarchischen Aufsehers an – nach dem staatlichen Vorbild des kaiserlichen Princeps. Aber der Brief ist ein Mahnruf unter Gleichen, noch keine Schelte von oben herab.
Bis zur autoritären Vorherrschaft ist es noch ein weiter Weg. Zu Beginn des 2. Jahrhunderts bilden die Christen im Imperium Romanum, das damals auch Gallien, Nordafrika, Palästina, Syrien und Griechenland umfasst, eine klägliche Minderheit von höchstens 50000 Personen – neben vier bis fünf Millionen Juden, von denen sie aber bis etwa 130 n. Chr. kaum unterschieden werden.
Nachdem die Christen sich geweigert haben, an den drei antirömischen Aufständen der Juden zwischen 66 und 135 n. Chr. teilzunehmen – Paulus hatte ja gelehrt: »Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet« (Römer 13,1) –, dürfen sie nicht mehr, wie lange üblich, in den Synagogen auftreten; eine in Gebetsform gefasste Verfluchung durch Rabbiner grenzt sie aus. Daher werden Christen während des 2. Jahrhunderts mehr und mehr in Kleinasien und Rom aktiv. Auch in der Hauptstadt des Reiches bestehen die Gemeinden überwiegend aus Sklaven, Freigelassenen, Leuten ohne Bürgerrecht und Frauen. Die meisten sind Griechen oder von griechischer Kultur geprägt – wie auch die meisten der ersten zwölf Päpste.
Das ändert sich mit Victor I. (um 189– etwa 198). Der Nordafrikaner treibt die Latinisierung der römischen Kirche voran, zum Beispiel durch die erste lateinische Übersetzung der Bibel. Unmut bei den kleinasiatischen Gemeinden löst sein Ansinnen aus, das Osterfest nicht mehr am 14. Tag des jüdischen Monats Nisan – am 1. März – zu feiern, sondern am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond, wie in Rom üblich.
Nach mehreren Synoden, die seine Auffassung billigen, verkündet Victor, die Kleinasiaten seien nicht nur aus der Gemeinschaft mit der Kirche Roms, sondern aus der Kirche überhaupt verstoßen. Das entfacht in vielen Gemeinden einen Sturm der Empörung: ein erster ernster Konflikt zwischen West- und Ostkirche. Ob Victor die Maßregelung widerrufen hat, weiß man nicht. Durchsetzen konnte er das römische Modell jedenfalls nicht.
Victor unterhält als erster Papst gute Beziehungen zum kaiserlichen Hof: Marcia, eine der Konkubinen des wüsten Kaisers Commodus (180–192), ist Christin. Ihr lässt Victor eine Namensliste von Glaubensgenossen zukommen, die in den Bergwerken Sardiniens als Zwangsarbeiter schuften müssen. Sie werden freigelassen.
Unter ihnen ist ein künftiger Papst: Calixt I. (217–222). Als junger Mann im Sklavenstatus dient er einem christlichen Freigelassenen, bevor er selbständiger Geldverleiher wird. Der römische Präfekt schickt ihn in die sardischen Bergwerke, weil er am Sabbat in einer Synagoge randaliert, wohl in der Hoffnung auf einen baldigen Märtyrertod. Nach seiner Freilassung beruft Victors Nachfolger Zephyrinus (198/99–217) den mit administrativem Geschick gesegneten Calixt zum Verwalter der kirchlichen Katakombe an der Via Appia in Rom. Nach dem Tod des Zephyrinus erringt Calixt die Papstwürde.
Der Presbyter Hippolyt allerdings, ein eifernder Moralist, will die Entscheidung nicht anerkennen und lässt sich selbst zum Bischof einer anderen Gemeinde-Gruppe wählen. Diese Gruppe unterstellt Calixt Irrtümer in der Christologie, vor allem aber sexualmoralische Libertinage. Hippolyt wirft Calixt vor, er vergebe bußfertigen Ehebrechern, obwohl Ehebruch eine Todsünde sei, für die es keine Vergebung geben
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