Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Jahr« 1350 zogen die Pilger nicht nach Avignon, sondern an den Tiber. Mystikerinnen wie Katharina von Siena und Birgitta von Schweden forderten den Papst zur Rückkehr auf. Außerdem war 1337 in Frankreich Krieg mit England ausgebrochen. Als 1360 endlich Waffenstillstand herrschte, zogen arbeitslose Söldnerhorden durchs Land. Mehrfach wurde Avignon belagert; erst nach Zahlung von Lösegeldern zogen die Landsknechte wieder ab.
Urban V. betrat 1367 als erster Papst seit 63 Jahren wieder Italien, ohne aber das Heer der Priester und Beamten aus Avignon mitzunehmen. Erst sein Nachfolger Gregor XI . führte die Kurie 1377 wieder dauerhaft zurück. Als er nur wenige Monate später starb, verlangte ein aufgebrachter römischer Mob, die Kardinäle sollten einen Italiener wählen. Diese fügten sich und kürten den Erzbischof von Bari als Urban VI . zum Papst. Weil der sich weigerte, den Hof wieder nach Avignon zu verlegen, zogen die französischen Kardinäle ab und wählten Kardinal Robert von Genf als Clemens VII . zum Gegenpapst. Dieser ging mit seinen Getreuen zurück nach Avignon. Nun gab es zwei Päpste, die sich ihre Rechtmäßigkeit gegenseitig streitig machten.
Fast 40 Jahre dauerte das »Große Abendländische Schisma«. Erst das Konzil von Konstanz stellte 1417 die Einheit der Kirche wieder her – bis auf weiteres.
Weiße Pracht
Nach strengen Regeln, aber offen für neue Akzente: die Kleidung des Papstes
Von Bettina Musall
Die Kleiderordnung des Papstes ist seit rund 450 Jahren geregelt. Als der Dominikanerpater Michele Ghislieri 1566 zum neuen Papst Pius V. gewählt wurde, behielt er die weiße Kutte seines Ordens einfach bei. Seither trägt der Papst bis heute im Alltag immer Weiß.
Doch gerade Benedikt XVI . hat gezeigt, wie allen Vorschriften zum Trotz individuelle Merkmale und Vorlieben die öffentliche Wahrnehmung eines Heiligen Vaters beeinflussen können. Abgesehen von seinem widerspenstigen Weißschopf, der dem ehemaligen Pontifex maximus besonders im windzerzausten Zustand etwas Irdisch-Spitzbübisches verlieh, profitierte Joseph Ratzinger medial eindeutig von der Gottesgabe, Hüte tragen zu können.
Die ranghöchste Hutablage im Vatikan hielt unter Benedikt nicht nur diverse Scheitelkäppchen und mal schlichte, mal prächtige Versionen der Mitra bereit. Der Oberhirte überraschte sein Publikum gelegentlich mit Kopfbedeckungen, die als Accessoires Seiner Heiligkeit längst vergessen waren.
So erschien er 2006 auf dem Petersplatz scharlachrot behütet von einer Art Kreissäge aus geflochtenem Stroh mit goldbesticktem Hutband und güldenen Bommelchen, einem Modell, das nicht von ungefähr nach dem zweitgrößten Planeten des Sonnensystems »Saturno« heißt. Anlässlich einer Vorweihnachtsaudienz näherte sich der bayerische Benedikt, eingemummelt in ein hermelinbesetztes Modell Kaffeemütze (»Camauro«), den Kontrahenten von der heidnischen Nikolaus-Fraktion an. Beten mit Sombrero in Mexiko, werben für die Heilige Stadt mit Baseballkäppi und Rom-Schriftzug: Die Hüte dieses Papstes wie auch seine Vorliebe für leuchtend rote Slipper – die meisten seiner Vorgänger beließen es bei einem gedeckteren Rotbraun – folgten mehr oder weniger streng der geistlichen Ordnung. Auf jeden Fall beförderten sie die »Popemania« (»The Economist«) des kirchlichen Medienstars nach den Regeln des Popmarketings.
Weit von profanen Moden entfernt, in einem unscheinbaren Laden in der Nähe des Pantheons, fertigen dagegen seit über 200 Jahren die Schneidermeister der Hofschneiderei Gammarelli die Chorröcke, Talare und Soutanen der höchsten Kleriker. Zum Amtsantritt Benedikts XVI . fielen die päpstlichen Couturiers in Ungnade: Die Hochwasser-Soutane endete oberhalb des Knöchels, so dass die seidenen Beinkleider des neuen Pontifex hervorblitzten. Seine Heiligkeit war not amused.
Zum Staatsbesuch in den Vereinigten Staaten durfte der niederländische Priestermodeschöpfer Aart Stadelmaier die 2800 Gewänder und Kopfbedeckungen für den Oberhirten und seine Entourage entwerfen. Der Designer bietet seine klerikalen Kollektionen auch in Showrooms in New York und Los Angeles feil. Mittlerweile beteuert das römische Traditionsmodehaus, wieder mit dem Vatikan im Geschäft zu sein.
Was der Papst am Leibe trägt, wird vom Zuschnitt der taillierten Soutane bis zum Säumen der 33 Knopflöcher – nach der Zahl der Lebensjahre Jesu – von Hand gefertigt. Gewöhnliche Priester und Ordensleute erwerben ihren Habit
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