Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
kann der Papst einen langen, weißen Mantel überziehen, die Greca. Er wird doppelreihig geknöpft. Sinken die Temperaturen, steht ihm ein weiter Umhang aus samtig-roter Wolle zur Verfügung, der Tabarro oder Mantello.
STEFANO SPAZIANI /ACTION PRESS
Macht oder Recht
Es liegt in der Logik des Papsttums, dass es zur selben Zeit immer nur einen legitimen Nachfolger des Apostels Petrus geben kann. Bisweilen ließen sich Konkurrenten als Gegenpäpste ausrufen.
Von Norbert F. Pötzl
Der in Kalabrien geborene Grieche Johannes Philagathos hatte eine blendende Karriere gemacht: Der römisch-deutsche Kaiser Otto II. hatte ihn 980 zum Kanzler von Italien ernannt. Dann war er Abt von Nonantola und Bischof von Piacenza. Der nächste Kaiser, Otto III. , dessen Lehrer Philagathos gewesen war, hatte ihn 994 als Brautwerber nach Byzanz geschickt. Aber all die Ehren reichten ihm offenbar nicht. Als er 997 nach Rom zurückkehrte, ließ er sich auf Betreiben des römischen Patricius Johannes Crescentius anstelle des aus der Stadt vertriebenen Papstes Gregor V. als Johannes XVI . zum Kirchenoberhaupt ausrufen.
Die Anmaßung wurde brutal bestraft. Otto III. , der 996 seinen damals 24-jährigen Cousin Bruno von Kärnten, der sich dann Gregor V. nannte, als ersten deutschen Papst überhaupt durchgesetzt hatte, zog im Februar 998 mit einem Heer nach Rom. Ottos Häscher schnitten Philagathos Hände, Nase, Ohren, Lippen und Zunge ab und stachen ihm die Augen aus. Dann wurde er in päpstliche Gewänder gehüllt, mit einem ausgehöhlten Kuheuter anstelle der Tiara auf dem Kopf und verkehrt herum auf einem Esel sitzend in einer Schandprozession durch Rom geführt. Eine Synode erklärte ihn offiziell für abgesetzt und verbannte ihn in ein Kloster, wo er drei Jahre später starb.
Philagathos alias Johannes XVI . war einer von etlichen Päpsten, die im Mittelalter irregulär auf den Stuhl Petri gelangten. Offenbar hatte er die Machtverhältnisse zwischen dem römischen Adel und dem deutschen Kaiser falsch eingeschätzt, als er sich von den lokalen Aristokraten für das höchste Kirchenamt aufstellen ließ.
Ein ähnliches Schicksal erlitt der ehemalige Cluniazenser-Mönch Mauritius von Braga, der 1118 als Gregor VIII . zum Papst gewählt wurde – auf Veranlassung von Kaiser Heinrich V. , der vom rechtmäßigen Papst Gelasius II . auf dem Höhepunkt des Investiturstreits exkommuniziert worden war. Dessen Nachfolger Calixt II. ließ seinen Kontrahenten 1121 gefangen nehmen und im Spottzug durch Rom treiben. Anschließend wurde Mauritius für den Rest seines Lebens eingekerkert; er starb 1137.
In diesem Fall ging der Gegenpapst aus einem Konflikt zwischen Kardinälen und weltlichem Herrscher hervor. Wieder andere Rivalen um den Papstthron konkurrierten gegeneinander, weil sich die geistlichen Wahlmänner nicht einigen konnten und ihren jeweiligen Favoriten zum rechtmäßigen Amtsinhaber erklärten.
So geschah es zum Beispiel, nachdem der Neapolitaner Bartolomeo Prignano im April 1378 als Urban VI . zum Papst gewählt worden war. Da er sich weigerte, wie seine Vorgänger seit 1309 in Avignon zu residieren, sondern in Rom blieb, wählten die französischen Kardinäle im September desselben Jahres Robert von Genf zum Gegenpapst Clemens VII ., womit das »Große Abendländische Schisma« begann.
Obwohl es bei Urbans Wahl chaotisch zuging, wurde sie zunächst allgemein anerkannt. Dann aber behaupteten die französischen Kardinäle und ihre Anhänger, der römische Mob habe unzulässigen Druck auf sie ausgeübt. Unklar blieb, welcher Papst eigentlich der rechtmäßige war. Bei beiden Wahlen, betont der Aachener Mediävistikprofessor Harald Müller in einem 2012 veröffentlichten Sammelband (»Gegenpäpste«), habe man »für keinen der Kandidaten einen wahlrechtlichen Defekt und damit eine schwächere Legitimität feststellen« können.
Genau da liegt das Problem: Wer soll entscheiden, wenn zwei oder gar drei Kontrahenten behaupten, sie seien rechtmäßig ins Amt gelangt? Nicht zuletzt daraus erklärt sich, dass die Zahl der Gegenpäpste in der Fachliteratur zwischen 20 und 40 schwankt. Als erster Gegenpapst der Kirchengeschichte gilt Hippolyt (217–235), als letzter Felix V. (1439–1449).
Bisweilen nutzte es nicht einmal etwas, im »Kampf um Rom«, wie Müller die Machtproben nennt, das Recht auf seiner Seite zu haben. So wurden im Jahr 1130 sogar am selben Tag, dem 14. Februar, zwei Päpste gewählt: zuerst, von einer Minderheit, Innozenz
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