Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
der Papst durchaus die Autorität, eine solche Form des heiligen Krieges zu legitimieren, ihn zu predigen, zu proklamieren und teilweise auch zu finanzieren. Doch die Rekrutierung der Kreuzfahrer konnte er kaum kontrollieren, und die Macht des Papstes war, »sobald das Heer sich auf den Marsch begeben hatte, eher theoretischer Natur« (Riley-Smith). Da nutzte es auch nichts, dass er Vertreter, Legaten, mitschickte.
Im Laufe der Jahrzehnte reihte sich Niederlage an Niederlage. Nachdem in der Schlacht bei Hattin im Juli 1187 der muslimische Chefstratege Saladin das größte Kreuzfahrerheer der Geschichte vernichtend geschlagen und anschließend die heilige Stadt Jerusalem zurückerobert hatte, konnten selbst militärische Koryphäen wie der Engländer Richard Löwenherz das Blatt nicht mehr wenden; Friedrich Barbarossa, der römisch-deutsche Kaiser, schaffte es erst gar nicht bis ins Gelobte Land – er ertrank auf dem Weg dorthin.
Und wie begrenzt doch der Einfluss des Papstes nach der aus christlicher Sicht glanzvollen Ouvertüre war, zeigt der verzweifelte Versuch Innozenz’ III. , Anfang des 13. Jahrhunderts erst die Plünderung der Christenstadt Zara an der Adriaküste und dann die Konstantinopels zu verhindern. Die ursprüngliche Idee eines Kreuzzuges wurde pervertiert, weil die Gier nach Geld und Gold religiöses Handeln glatt außer Kraft setzte.
Wenige Jahre später nur bewies Barbarossas Enkel Friedrich II. , dass die Verpflichtung dem Papst gegenüber, das Kreuz zu nehmen, mitnichten Krieg zu bedeuten hatte. »Stupor mundi«, nannten ihn vielleicht auch deshalb später seine Anhänger, »Staunen der Welt«. Friedrich, vom Papst exkommuniziert, weil er immer wieder den Marsch gen Osten verzögert hatte, setzte ganz auf die Diplomatie – und handelte 1229 mit Sultan Malik al-Kamil einen Friedensvertrag auf zehn Jahre aus, der den Christen große Teile Jerusalems, Nazareth und Bethlehem zurückbrachte.
Vielleicht war es Friedrichs Politik im Morgenland, die ein Umdenken einleitete. In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, resümiert Riley-Smith, hätten die Päpste schließlich die »Vergeblichkeit ihres Bemühens« erkannt, wieder »einen großen Feldzug zu organisieren«. Das Heilige Land, so viel war klar, konnte durch Kreuzzüge nicht für die Christenheit gehalten werden.
Babylon an der Rhône
Unter dem Einfluss des französischen Königs zog die Kurie nach Avignon. Am dortigen Papsthof herrschten Prunk und Korruption. Als Gregor XI. nach Rom zurückkehrte, löste dies eine Kirchenspaltung aus.
Von Kian Badrnejad
»Hier ist mein Hals, und hier ist mein Haupt«, schleuderte Bonifaz VIII . den Häschern des französischen Königs entgegen, als sie am 7. September 1303 die Türen der päpstlichen Residenz im italienischen Anagni einschlugen. Weil er sich dem geforderten Rücktritt widersetzte, sistierte der Stoßtrupp den Pontifex in dessen eigenem Palast.
Es war ein Skandal: Philipp IV . von Frankreich, genannt »der Schöne«, beschuldigte den Heiligen Vater der Ketzerei. Damit war der Höhepunkt einer jahrelangen Fehde zwischen den beiden Männern erreicht: Der Papst bestritt dem König das Recht, den Klerus zu besteuern oder einen Bischof von einem weltlichen Gericht verurteilen zu lassen. Beide stellten die Machtfrage: Wessen Wort zählte mehr – das des Königs als Herrscher eines souveränen Staates oder das des Papstes als Oberhaupt der Christenheit?
Bonifaz hatte 1302 in der Bulle »Unam Sanctam« erklärt, »dass alle menschliche Kreatur bei Verlust ihrer Seelen Seligkeit untertan sein muss dem Papst in Rom«, weil »die geistliche Macht an Würde und Adel jede weltliche überragt«. König Philipp bebte vor Zorn. Er zögerte nicht, das einzige Instrument anzuwenden, mit dem ein Papst abgesetzt werden konnte: einen Prozess wegen Häresie. Das Verfahren sollte in Frankreich geführt werden; deshalb schickte der König seinen Kanzler Wilhelm von Nogaret nach Italien, um den Papst festzunehmen.
Der Plan scheiterte jedoch, weil die empörten Bürger von Anagni den Papst nach zwei Tagen befreiten. Wenige Wochen später starb der durch die Ereignisse erschütterte Bonifaz. Sein Nachfolger Benedikt XI . war nur acht Monate im Amt, bereits im Juli 1304 mussten die Kardinäle erneut ins Konklave. Fast ein Jahr stritten Bonifaz’ italienische Anhänger mit den Kardinälen, die der französischen Krone nahestanden.
Schließlich einigten sie sich am 5. Juni 1305 auf einen
Weitere Kostenlose Bücher