Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
II. , später in korrekt durchgeführter Abstimmung Anaklet II. Dieser scheint also, so Müller, »als der Kandidat mit der höheren rechtlichen Qualität hervorgegangen zu sein«, durchgesetzt habe sich schließlich trotzdem Innozenz II.
Denn Anaklet verbündete sich mit dem Normannenkönig Roger II. von Sizilien, womit er sich die Feindschaft des deutschen Königs Lothar III. einhandelte, der zusammen mit den Königen von England und Frankreich zugunsten von Innozenz intervenierte; der krönte zum Dank dafür Lothar III. zum Kaiser. »Politisches Geschick und die schlagkräftigeren Parteigänger«, kommentiert Müller, »erwiesen sich stärker als die Buchstaben der Papstwahldekrete.«
Dabei hatte man im Laufe der Jahrhunderte versucht, die Wahlverfahren so zu gestalten, dass größere Rechtssicherheit entstehen sollte. Bis 1059 wurden die Päpste als römische Bischöfe durch den Klerus und das Volk Roms gewählt – formal zumindest, wenn auch oft von städtischen Adelsclans oder Königen vorbestimmt. Dann übertrug Papst Nikolaus II. das aktive Wahlrecht dem Kardinalskollegium.
Kardinäle
DIE WAHLMÄNNER DES PAPSTES
Päpste werden seit 1059 ausschließlich von Kardinälen gewählt. Ursprünglich waren Kardinäle – abgeleitet von lat. »cardo«: Angelpunkt, Hauptachse – Berater des römischen Bischofs sowie Helfer beim Gottesdienst und bei karitativen Aufgaben in Rom. Als Adjektiv (»presbyteri et diaconi cardinales«, also Hauptpriester und -diakone) wurde der Begriff erstmals unter Papst SilvesterI . (314–335) verwendet, als Amtstitel wurde er im 8. Jahrhundert gebräuchlich. Damit wurden vor allem die Bischöfe der sieben Bistümer in der Umgebung Roms bezeichnet. Seit Leo IX. (1049–1054) wurden auch Nichtrömer zu Kardinälen berufen, was den Anspruch unterstrich, Weltkirche zu sein. Zugleich entstand ein Kardinalskollegium, das zur Mitregierung avancierte. Papst Paul VI. (1963–1978) bestimmte 1970, dass nur die Kardinäle, die beim Tod oder Rücktritt eines Papstes das 80. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, an der Wahl des Nachfolgers teilnehmen dürfen. Die Zahl der wahlberechtigten Kardinäle soll, wie Papst Johannes PaulII . (1978–2005) im Jahr 1996 festlegte, 120 nicht übersteigen.
Auf dem Dritten Laterankonzil wurde 1179 beschlossen, dass für eine gültige Papstwahl eine Zweidrittelmehrheit der Kardinäle erforderlich sei. Mit diesem Dekret wurden die Konsequenzen aus einem Eklat gezogen, der sich 20 Jahre zuvor ereignet hatte: Bei der Proklamation des mit klarer Mehrheit gewählten Alexander III. hatte ein unterlegener Kandidat dem neuen Papst das gerade angelegte Gewand vom Leib gerissen und sich selbst vom Volk zum Papst ausrufen lassen. Alexander III. , dessen Pontifikat bis 1181 dauerte, musste in dieser Zeit gegen insgesamt vier oppositionelle Titelträger regieren.
Gegenpäpste sind, wie der Historiker Müller konstatiert, »Schattenseite und gegebenenfalls Katastrophenfall eines römischen Bischofsamtes schlechthin, das die wichtigste Legitimation seines Führungsanspruchs in der christlichen Kirche … aus der ununterbrochenen und eindeutigen apostolischen Sukzession von Petrus bis in die Gegenwart schöpft«.
Wie bedeutungsvoll eine eindeutige Papstliste für die katholische Kirche ist, unterstreicht die im »Annuario pontificio«, dem offiziellen vatikanischen Jahrbuch, publizierte Aufstellung. Sie beruht auf einer zuletzt 1947 vom Präfekten des vatikanischen Archivs erstellten Liste. Der zufolge war Papst Benedikt XVI . der 264. Nachfolger des Apostels Petrus.
Manche Gegenpäpste sind ohne viel Aufhebens aus dem Verzeichnis einfach gestrichen worden. Nachdem der venezianische Patriarch Angelo Giuseppe Roncalli 1958 zum Papst gewählt worden war, gab er sich den Namen Johannes XXIII . – und verdrängte damit einen Namensvetter mit derselben Ordnungszahl, der 1415 auf dem Konzil von Konstanz als einer von zwei Gegenpäpsten abgesetzt worden war, endgültig von der Papstliste. Trotz Roncallis Klarstellung gibt es nur 21 kirchenamtlich anerkannte Träger des häufigsten Papstnamens Johannes – der XVI . war ein Gegenpapst, der XX . wurde irrtümlich ausgelassen.
Auch Benedikt XVI . hatte, worauf der Geschichtswissenschaftler Müller hinweist, »fünf mittelalterliche Namensvettern …, deren Rechtmäßigkeit zumindest umstritten ist«. Bei dreien wurde »die Zählung stillschweigend fortgesetzt«, aber Benedikt XIII . und XIV ., die beide in der Zeit des »Großen
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