Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
nach Beratungen passieren. Jede Obrigkeit, so das römische Verständnis, komme schließlich von Gott.
Das Ende der Zensoren deutete sich Anfang der fünfziger Jahre an, als sie Graham Greenes Werk »Die Kraft und die Herrlichkeit« in die Finger bekamen. Die darin beschriebene Verwandlung eines apathischen Amtskirchenpriesters zu einem kritischen Arme-Leute-Theologen, der sogar eine Tochter hat, schade der Religion, befanden die Hardliner um Kardinal Alfredo Ottaviani. Der stellvertretende Staatssekretär Giovanni Montini, der 1963 Papst Paul VI . wurde, machte sich für Greene stark und bescheinigte dessen Widersachern ein »mangelndes Verständnis« für das Werk.
Als Papst stufte Paul VI . die Kongregation 1965 zu einer untergeordneten Behörde herab und nahm ihr die Verbotsbefugnis. Bereits ein Jahr später hatte auch Ottaviani nicht mehr viel übrig für die Verbotsliste: Der Index, so der Hardliner, habe »nicht viel genützt«.
Unter bösen Sternen
Rücksichtslos sicherte der Barberini-Papst Urban VIII. seiner Sippe Vorteile. Dabei lebte er eigentlich in Angst vor dem himmlischen Verhängnis.
Von Hans-Jürgen Schlamp
Die letzte Hoffnung Seiner Heiligkeit kam geradewegs aus dem kirchlichen Gefängnis. Fast 27 Jahre hatte Tommaso Campanella dort als verurteilter Ketzer und Hexenmeister verbracht. 1626 wurde er, als »schwachsinnig« eingestuft, gnadenhalber freigelassen. Zwei Jahre später saß der Ex-Dominikanermönch und Philosoph im römischen Quirinalspalast, und der Hausherr, Papst Urban VIII ., flehte ihn um Hilfe an. Mit seinen magischen Kenntnissen und Kräften möge Campanella den Lauf der Sterne ändern. Sonst wäre das päpstliche Schicksal besiegelt.
Urban war krank, er hatte Todesangst. Die Römer hassten ihn, schlossen Wetten auf sein baldiges Ableben ab und hofften, dass der Nachfolger das Land weniger ausplündern würde. Auch die Führungselite des Kirchenstaates, die Kardinäle, setzte auf das Ende ihres Chefs: Zumindest einem von ihnen böte sich die Chance, selbst den Thron zu besteigen. Sogar der Himmel zeigte sich dem Stellvertreter Jesu nicht freundlich gesinnt: Sonnenfinsternisse wiesen auf drohendes Unheil hin.
Dabei hatte alles so gut gefügt begonnen. Das Leben war für Maffeo Barberini, am 5. April 1568 als fünftes von sechs Kindern eines florentinischen Kaufmanns geboren, ein steter Siegeszug gewesen – bis er Papst wurde. Ein Onkel hatte dem Jesuitenzögling das Jurastudium finanziert und ihm eine Stelle in der römischen Kurie verschafft. Dort machte Maffeo schnell Karriere.
Die Familie Barberini zog nach Rom und stellte sich in den Dienst ihres erfolgreichsten Mitglieds, was damals durchaus üblich war. Man stattete den Frontmann der Sippe – auch finanziell – bestmöglich aus, organisierte Feste, knüpfte Seilschaften, alles in der Erwartung, dass die Investition in das familieneigene Humankapital später viele Früchte tragen möge.
Maffeo Barberini ging als päpstlicher Botschafter nach Paris und gewann die Gunst König Heinrichs IV . Der erwirkte auch Barberinis Beförderung zum Kardinal 1606. Er sei, so rühmte ihn ein Höfling am Heiligen Stuhl, »ein Mann von großem Geist, bestens bewandert in italienischem, lateinischem und griechischem Schrifttum … ehrenhaft, ohne Niedertracht«.
Nur der alte, einflussreiche Adel – allen voran die Familie Borghese – hielt von dem Emporkömmling nicht viel. Dessen Wappen, spotteten sie, hätten einst Pferdefliegen geziert. Erst jüngst habe der Clan sie für viel Geld zu Bienen veredeln lassen. So waren, als am 8. Juli 1623 Papst Gregor XV . starb, die Aussichten Kardinal Barberinis nicht allzu gut, Gregors Nachfolger zu werden. Doch der stickige römische Sommer stand auf seiner Seite.
Am 20. Juli traten die Kardinäle im Vatikan zum Konklave zusammen, um einen neuen Papst zu wählen. Draußen, vor den Toren, wuchs mangels eines Herrschers drinnen das Chaos. Niemals seien in Rom so viele Morde und Vergewaltigungen vorgekommen, schrieb der Notar Giacinto Gigli in sein Tagebuch. Vor allem die Zahl der kopflos aufgefundenen Toten verbreite Entsetzen.
In der Kirchenfestung grassierte, wie überall in Rom, die Malaria, damals nur »das Fieber« genannt. Viele Kardinäle erkrankten, einige starben. Aus den Reihen des Personals wurden noch mehr dahingerafft. Bald gab es für die betagten Kleriker keine saubere Wäsche mehr. Lebensmittelreste verschimmelten in den Flurecken, weil niemand mehr putzte. Es stank, da half
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