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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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und Dreck verborgen.
    Der Heilige Vater residiert in einer verwahrlosten und entvölkerten Stadt. Fast eine Million Menschen lebten zur Hoch-Zeit in Rom; nun sind es gerade noch 60000. Ganze Stadtviertel sind unbewohnt. Wo sich Menschen tummeln, regieren Gestank und Enge. Außer seiner Geschichte und den großen Namen hat die Stadt kaum etwas zu bieten. Anders als etwa in Florenz oder Prag liegt in Rom auch das intellektuelle Leben brach. Eine Universität von Rang gibt es nicht.
    Der neue Papst kommt der ausgedörrten Metropole gerade recht. Gregor mag es gern repräsentativ und prunkvoll. Zudem liegt ihm die Wissenschaft am Herzen. Beiden Neigungen wird der Pontifex, der mit 70 Jahren ins Amt gewählt wird, ausgiebig nachgehen.
    Trotz seines für die Zeit hohen Alters ist der Papst, der mit bürgerlichem Namen Ugo Buoncompagni heißt, bei Amtsantritt körperlich auf der Höhe. 13 Amtsjahre stehen ihm noch bevor, in denen er ein recht widersprüchliches Wesen offenbart.
    Gregor gilt als vergleichsweise weltoffener Mann, doch das blutige Massaker an den französischen Protestanten in der sogenannten Bartholomäusnacht feierte er mit einem freudigen »Te Deum« (»Dich, Gott, loben wir«). Privat lebt der Papst nicht ausschweifend, doch seine Aktivitäten als Bauherr strapazieren den Haushalt des Heiligen Stuhls beinahe bis zum Kollaps.
    Vermutlich wäre er am liebsten als glühender Gegenreformator und Bezwinger des um sich greifenden Protestantismus in die Geschichte eingegangen. Doch in diesem Kampf konnte er nicht bestehen. Heute erinnert man sich an Gregor wegen einer nach ihm benannten Leistung, die der Pontifex in ihrer Gesamtheit wohl selbst nicht ganz durchschaute. Immerhin: Der Papst ebnete dem gregorianischen Kalender den Weg, an dem sich heute ein Großteil der Erdbewohner orientiert.

    Gregor XIII . diskutiert mit Gelehrten über die Kalenderreform
    (Gemälde, 16. Jahrhundert)
    ALINARI /BRIDGEMANART.COM
    Den bis dahin gültigen Kalender hatte rund 1600 Jahre zuvor Julius Cäsar auf jenem Forum ausgerufen, auf dem nun das Vieh graste. Eine Korrektur war inzwischen allerdings dringend geboten. Denn die Schöpfung des römischen Herrschers ging nur ungefähr richtig. 11 Minuten und 14 Sekunden hinkte der julianische Kalender pro Jahr hinterher. Zur Zeit Gregors war diese Unwucht im Zeitmaß bereits auf gut zehn Tage angewachsen.
    Der Reformeifer Buoncompagnis wurde durch praktische Erwägungen genährt. Ostern sollte endlich wieder auf den Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühling fallen. Auch für die Neuordnung des für alle Katholiken verbindlichen Liedguts, das an bestimmten Tagen zu singen war, bedurfte es einer stimmigen Zeitrechnung.
    Einige Jahrzehnte zuvor hatte der Astronom Nikolaus Kopernikus ein tiefgreifendes Verständnis der Himmelsgestirne angemahnt, bevor eine Kalenderreform überhaupt sinnvoll sein konnte. Auf eine derartige Einsicht war bei Gregor nicht zu hoffen. Die Kirche hatte Kopernikus’ Hauptwerk »Über die Umschwünge der himmlischen Kreise« im Giftschrank verschwinden lassen. Denn das Werk enthielt die durchaus richtige, wenngleich für die damalige Zeit ungeheuerliche Feststellung, dass alle Planeten um die Sonne kreisen und die Erde sich zudem um sich selbst dreht. Das Haupt der katholischen Kirche hielt indes unbeirrt an der herrschenden Meinung fest, dass die Erde der Mittelpunkt des Universums sei.
    Gregors wichtigster Vertrauter in der Kommission zur Kalenderreform – obwohl ebenfalls Anhänger des geozentrischen Weltbildes – ging mit den Dogmen des Katholizismus weit geschmeidiger um als sein oberster Hirte. Mit dieser Eigenschaft sicherte der deutsche Astronom und Jesuit Christophorus Clavius vermutlich den Erfolg der von Gregor gewünschten Neuordnung.
    Wie lange ein Jahr tatsächlich dauert, konnten die auf Geheiß des Papstes konferierenden Gelehrten noch immer nicht exakt ermitteln. Doch der von ihnen letztlich neu festgelegte Wert von 365 Tagen, 5 Stunden, 48 Minuten und 20 Sekunden eilte dem natürlichen Jahreslauf nur um 26 Sekunden voraus.
    Als Sofortmaßnahme ließ Gregor 1582 gleich zehn Tage am Stück streichen, um den aufgelaufenen Rückstand wettzumachen. Deshalb folgte in diesem Jahr auf den 5. Oktober gleich der 15.; in der heutigen Welt würde ein derartiger Zeitsprung vermutlich den Kollaps des weltweiten Geschäftsverkehrs einleiten. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts sorgte die mit einem Federstrich besiegelte Reform immerhin für Verwirrung,

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