Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Petrus. Die Legende sagte, der Apostel sei zu Neros Zeiten auf diesem Areal gekreuzigt und in der nahen Nekropole begraben worden.
Gesichert war das nie. Doch die unter Kaiser Konstantin so rasch erstarkte Religion brauchte eigene Symbole, eigene Zeremonien, eigene Identifikationsfiguren. Sie brauchte auch eigene architektonische Wahrzeichen. Das Christentum besetzte den Hügel, es unterwarf sich dessen heidnische Geschichte. Ähnlich selbstbewusst ging man mit der Architektur der Antike um, die man zitierte und uminterpretierte, wann immer es nützlich erschien.
Petrus etwa wollte man am Ort seines Martyriums mit einer Basilika (»Königshalle«) ehren. Diese länglichen Saalbauten, die oft in halbrunder Apsis mündeten, waren die Einkaufszentren und Justizpaläste der Antike. In ihnen wurden Märkte abgehalten, Gerichte tagten dort, und Kaiser regierten. Nun wurden die Herrscherbildnisse in der Apsis durch Mosaiken mit Christusdarstellungen ersetzt. So einfach, so radikal aber auch verwandelte sich das Profane ins Sakrale.
Vorbilder gab es genug. So war um 310 die profane Maxentiusbasilika am Forum Romanum fertiggestellt worden. Etwa ein Jahrzehnt später ließ Kaiser Konstantin mit dem Bau einer christlichen Basilika beginnen. Wahrscheinlich war sie in weniger als zehn Jahren vollendet.
Rom besaß andere Kirchen. Doch die Pilgerstätte am Vatikan wurde das eigentliche architektonische Ausrufungszeichen dieser Religion, hier entstand auch die für lange Zeit größte Kirche der Christenheit. Die Gräberstraßen auf dem südlichen Abhang des Hügels – regelrechte Reihenhäuser des Todes – mussten weichen; sie wurden zugeschüttet und erst bei Ausgrabungen im 20. Jahrhundert wieder freigelegt. Über dem vermuteten Petrusgrab entstand das neue Gotteshaus. Die Pilger näherten sich dem Heiligtum vom Tiber aus, stiegen Stufen hinauf und dürften mit einem überwältigenden Raumerlebnis belohnt worden sein.
Die monumentale Kirche des 4. Jahrhunderts: eine 120 Meter lange Halle über dem Grundriss eines Kreuzes. Gebildet wurde es aus fünf Längsschiffen, die in ein Querschiff von fast 90 Metern mündeten. Das Mittelschiff des Langhauses war breiter und deutlich höher als die Seitenschiffe. Unten zog sich ein Saum aus alten Tempelsäulen entlang. Durch die weit oben angesetzten Fenster strahlte Licht in den mittleren Raum. Die Szenerie war wie gemacht für weihevolle Prozessionen, für sakrale Triumphzüge. So ehrte Kaiser Konstantin auch seine Herrschaft. Letztlich war die Botschaft, die von diesem wichtigsten Bau der frühen Christenheit ausging, eine politische.
Viele Jahrhunderte später war sie noch nicht verhallt. Aus der Sicht der Päpste des 15. und 16. Jahrhunderts bildete Konstantins Kirche ein gewichtiges Erbe, und zwar eines, das ihnen wortwörtlich im Weg stand. Verschiedenste Päpste wollten den Bau beseitigen, um sich mit einer eigenen Architektur der Macht selbst ein Denkmal zu setzen. Natürlich hätte man das wohl baufällig gewordene Gebäude von St. Peter sanieren können. Doch es sollte ein neues Kirchenwunder entstehen. Es wurde ein Wunder in Etappen und eines, das zwischenzeitlich dazu beitrug, die christliche Kirche für immer zu spalten.
Alt-St. Peter in einer Rekonstruktion
(Holzstich, 1892)
AKG
Seit Nikolaus V. (1447–1455) entwickelte eine Reihe von Päpsten jeweils eigene Visionen zu Ausmaßen und Silhouette einer möglichen neuen Kirche – und zum Umgang mit dem Vorgängerbau über dem Petrusgrab. Nikolaus ließ einen neuen Chor beginnen, also den Bereich, wo traditionell der Altar stand. Doch als der Papst starb, ragten gerade einmal ein paar Mauern in die Luft.
Wie ein Mahnmal kündeten sie davon, dass hier jemand zu viel in zu kurzer Zeit erreichen wollte – schon Zeitgenossen wie der Architekt Leon Battista Alberti kritisierten solche Grundrissruinen. Der päpstliche Bauherr aber beteuerte noch auf dem Totenbett, ihm sei es bei diesem Vorhaben nie um seinen eigenen Ruhm gegangen, sondern um das Wohl der Gläubigen.
Als Erster hatte er erfahren, was für die päpstlichen Bauherren der nächsten 150 Jahre zum doppelten Kampf wurde: ein Kampf mit der Zeit, denn ein epochaler Bau war nicht während eines einzigen Pontifikats zu verwirklichen. Und der Kampf mit dem Altbau, dessen Zerstörung man zugleich wünschte und fürchtete. Die Basilika Konstantins überdauerte auch die Neubaupläne von Nikolaus V. ; der von ihm begonnene Teil lag außerhalb ihrer Wände. Dennoch
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