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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Uffiziumspalast, der ihn in die Gewölbe mit den Konvoluten der vermeintlichen Ketzer bringt. In trübem Licht beginnt er an einem Lesepult in den Akten zu blättern – und kann kaum noch aufhören. Zuerst kontrolliert er seine Doktorarbeit, fast alles bestätigt sich. Er wundert sich, wie der Etikettepapst Adolph Freiherr Knigge auf den Index kam – und sieht dann, dass der ein führendes Mitglied des Illuminaten-Ordens war. Von Charles Darwin dagegen, dessen Werke er hier sicher vermutete, findet sich keine Spur. Wolf glaubt, dass die Zensoren nach dem Fall Galileo Galilei in Rom naturwissenschaftliche Theorien unbehelligt ließen, wenn sie nicht direkt die Bibel angriffen.
    Insgesamt etwa 6000 Kontrolleure, die meisten Ordensleute, waren seit Mitte des 16. Jahrhunderts zur Kontrolle der literarischen Häresie in Rom beschäftigt. Damals war die römische Kirche durch den boomenden Buchdruck und die Reformation in Lebensgefahr. Durch Verbrennung der Schriften und möglichst auch der Autoren war der ketzerischen Papierflut nicht mehr nachzukommen. Die katholische Kirche, schreibt der Literaturwissenschaftler Werner Fuld in seinem jüngst erschienenen »Buch der verbotenen Bücher«, hatte die historische Bedeutung des Buchdrucks nicht nur verschlafen, sondern »nicht begriffen«.
    Gegen die neue Technik versuchte Pius V. mit einem Überwachungsapparat anzugehen und errichtete 1571 die Indexkongregation, eine Inquisitionsfiliale nur für Bücher. Zwei- bis zehnmal im Jahr tagten ein gutes Dutzend Kardinäle über Verbote, Vertagungen oder Freisprüche. Der Papst segnete die Urteile am Ende ab, mitunter änderte er sie. Schließlich wurden die Listen an den Portalen der römischen Hauptkirchen angeschlagen.
    Die eigentliche Arbeit verrichteten etwa 40 Zensoren, die nur auf Anzeige von Denunzianten tätig wurden. Es dauerte nicht lange, bis ihnen die Arbeit über den Kopf wuchs. Schon der erste Index librorum prohibitorum (Verzeichnis der verbotenen Bücher) aus dem Jahr 1559 war schwer zu überschauen: Er enthielt 1000 Namen und Titel, Luther natürlich, aber auch Schriften Papst Pius’ II. über ein Reformkonzil – und Bibeln. Allerdings speziell solche in Vulgärsprachen wie Deutsch, die die Zensoren nicht lesen konnten. Das protestantische Gift aus Deutschland entschärfte das Gremium schon mal ganz pragmatisch. Es indizierte einfach blind Neuerscheinungen aus dem Katalog der Frankfurter Buchmesse.
    Doch die junge Printbranche protestierte: Auf der Verbotsliste von 1559 hatten sich schließlich auch 61 Drucker aus ihren Reihen befunden. Rom reagierte mit Milde und führte die Buchreinigung ein, eine Art Verkehrsfähigkeit nach Korrektur. Schon nach wenigen Jahren allerdings forderte ein entnervter Zensor leicht weltfremd einen »Druckstopp«: Mit dem Anspruch, Kirchenlehrer wie Thomas von Aquin, Medizin-Größen wie Hippokrates und die antiken Klassiker auf Frevel abzuklopfen, hatte sich das Gremium völlig übernommen. Es zog sich auf Verbote zurück. Auch literarische Scheiterhaufen schichtete die Kirche mit der Zeit keine mehr: Das Brennen wurde – wie aufklärerisch – ins Gewissen der Gläubigen verlagert. Alte Kupferstiche zeigen, wie zur Einsicht gekommene Menschen ihre gefährlichen Bücher dem Feuer übergeben.
    Und wer verpetzte die Autoren in Rom? Es waren die oberen Zehntausend der Gesellschaft – Adlige, Kleriker und gebildete Bürger, die lesen konnten. Heinrich Heine, der Rom mit seinen Büchern regelmäßig zum Rasen brachte und etwa empfahl, sich ein »Schnupftuch« vor die Nase zu halten, »wenn vom Katholizismus die Rede ist«, wurde von Österreichs Außenminister Metternich angeschwärzt.
    Metternich brauchte die Kirche für seine reaktionäre Repressionspolitik. Sein Revolutionstrauma, so Wolf, traf auf die Revolutionsangst Gregors XVI . Mit Blick auf Heine geißelte der Papst in der Enzyklika »Mirari vos« die »maßlose Meinungsfreiheit«. An dem deutschen Autor arbeitete sich die Kirche auf Metternichs Geheiß dermaßen ab, dass verängstigte katholische Studenten tatsächlich noch in den fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts bei ihren Bischöfen um Ausnahmegenehmigungen baten, dessen Werke lesen zu dürfen.
    Wie nah die Kirche stets an der Seite des politischen Establishments stand, zeigte sich beispielhaft im Zaudern gegenüber den Nationalsozialisten. Während das Werk des Parteiideologen Alfred Rosenberg verboten wurde, ließen die Glaubenskontrolleure Hitlers »Mein Kampf«

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