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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Thissen, zunächst »die Luft weggeblieben«, andere haben die Aufgabe des Amtes seine größte Tat genannt. Der Hamburger »Zeit« sagte Kardinal Walter Kasper, oft genug ein intellektuell ebenbürtiger innerkirchlicher Gegner Benedikts, einzugestehen, dass die eigene Kraft nicht mehr reiche, sei ein »Zeichen menschlicher Größe«.
    Buchstäblich alle Welt hat sich, schneller als es mit dem zuweilen nur geheuchelten »tiefen Bedauern« vereinbar wäre, bedankt bei dem scheidenden Papst – von den kolumbianischen Guerilleros der Farc für seine Hilfe bei Friedensgesprächen bis hin zu den katholischen Ultras von der Piusbruderschaft für sein großes Entgegenkommen, selbst wenn es letztlich nichts genutzt hat. Auch das Kardinalskollegium habe, so Kasper, mit »Respekt und Dankbarkeit« reagiert.
    Was allerdings auch heißen konnte: richtig, so konnte es schließlich nicht mehr weitergehen. Benedikts eigener Sprecher Federico Lombardi bestätigte unumwunden: Der Papst verfüge über einen großen Realitätssinn, »er weiß sehr gut, wo die Probleme liegen und was die Schwierigkeiten sind«. Und die hatten sich im Vatikan zu einem kaum zu bezwingenden Gebirge aufgetürmt. Das lag zunächst einmal auch an ihm selbst.
    Für jemanden, der, wenn er »ex cathedra« spricht, eine Lehrentscheidung verkündet, Unfehlbarkeit beansprucht, musste Benedikt wieder und wieder richtigstellen, was er wirklich gemeint habe, wenn ein missverständlicher Satz sich wieder einmal zur Affäre ausgewachsen hatte. Nein, er habe die Muslime nicht beleidigen wollen, als er in Regensburg das apokryphe Zitat eines byzantinischen Kaisers nutzte, der dem Islam vorgeworfen hatte, nur »Böses und Unmenschliches« über die Welt gebracht zu haben. Da standen Teile der islamischen Welt bereits in Flammen, und in Somalia musste eine italienische Krankenschwester die Worte des Papstes mit ihrem Leben bezahlen.
    Gleichfalls habe er in Brasilien auch nicht wirklich behaupten wollen, dass die indigenen Völker Lateinamerikas auf ihre Bekehrung durch christliche Missionare geradezu gewartet hätten. Und dass Kondome nichts zur Bekämpfung der Aids-Epidemie in Afrika beitrügen, will er auch nicht so gemeint haben.
    Solche nachträglichen Korrekturen zeigen aber auch, dass es zu wenig »checks and balances« im Vatikan gibt. Wenn etwa der US -Präsident eine größere Rede vorbereitet, werden routinemäßig die Kabinettsmitglieder, deren Aufgabenbereiche tangiert sind, um Stellungnahmen gebeten. Benedikt, der keine besonders hohe Meinung von vielen seiner Kardinalskollegen in der Kurie hat, stimmt seine Entwürfe nur mit Vertrauten ab, und es gibt offenbar nicht viele, die dem Stellvertreter des Herrn sagen mögen: Das geht so nicht. Zumal wenn der, wie Benedikt, nicht zuletzt wegen der Schärfe seines Verstandes gefürchtet wird.
    Zudem hat Benedikt es nicht geschafft, dass die beiden wichtigsten Bürokratien des Vatikans einigermaßen reibungslos miteinander kooperieren. Dass Benedikt Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano abgelöst hat, war nur allzu verständlich – und wohl auch notwendig. Der Vertraute von Johannes Paul II ., der von seiner Zeit als Nuntius in Chile während der Herrschaft des Diktators Augusto Pinochet bis zu seinem Posten als Premier und Außenminister des Papstes seine Karriere ausschließlich im diplomatischen Dienst des Vatikans verbracht hat, hatte sich mit einer einflussreichen Seilschaft italienischer Kardinäle umgeben. Von seinen Gegnern in der Kurie wurde er vorzugsweise der »Pate« genannt. Als Regierungschef unter dem Wojtyla-Papst war er mehrere Male mit Ratzinger aneinandergeraten, der als Chef der Glaubenskongregation ebenfalls zu den engsten – und einflussreichsten – Mitarbeitern des Papstes gehörte. In einigen Fällen hatte Ratzinger dabei den Kürzeren gezogen.
    Nun ersetzte Benedikt seinen Kurien-Gegner durch einen Vertrauten aus der eigenen Behörde, Erzbischof Tarcisio Bertone, einen Gottesmann, der in Italien als »Kardinal des Lächelns« bekannt war und sich in seiner neuen Funktion in Windeseile als, so Insider, »schwarze Seele« des Kirchenstaats entpuppte. Bertone ersetzte erfahrene Mitarbeiter Sodanos durch eigene Vertraute, die in der neuen Behörde mit ihren neuen Ämtern nicht klarkamen.
    Schon bald erhielt Benedikt merkwürdige Briefe von Kurien-Fürsten, die der neuen Nummer Zwei im Vatikan Günstlingswirtschaft vorwarfen oder ihm dunkle Verbindungen etwa zu Freimaurerlogen unterstellten.

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