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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Phasen ihrer Entwicklung nicht als etwas Überwundenes, etwas, das sie hinter sich gelassen hat, sondern als notwendige Voraussetzungen ihrer Gegenwart und Zukunft, so wie der Papst, wenn er als Liturge amtiert, unter seinem priesterlichen Messgewand auch die den niedrigen Weihestufen entsprechenden Ornate trägt. Für die römische Kirche ist die Verbundenheit mit ihrer Vergangenheit nicht intellektuelles Prinzip, sondern sinnlich erfahrbare Theologie: Ihre Autorität besteht in ihrem Anspruch, den in einer bestimmten Stunde der Weltgeschichte auf der Erde erschienenen Gottessohn zu vergegenwärtigen; und das heißt, Vergangenheit gegenwärtig werden zu lassen, um zu dem konkreten, nicht mythischen Jesus von Nazareth zu gelangen. Der Zimmermannssohn lebte in freiwilliger Armut, aber dieser sichtbare Aspekt seiner Existenz enthielt nicht die ganze Wahrheit über ihn: Nach eigenem Zeugnis und dem Glauben der Christen nahm er gleichzeitig teil an Gottes Herrlichkeit.
    Als die Päpste Stück für Stück Insignien und Formen des römischen Kaisertums übernahmen, war eine ästhetische und politische Sprache gefunden, um die Wahrheit des verherrlichten Christus, des Königs, Anschauung werden zu lassen. Es sah immer mehr so aus, als sei das antike kaiserliche Rom mit seiner aus republikanischen und monarchischen Elementen gemischten Verfassung nur eine Vorbereitung für die Kirche gewesen. Die Ehrfurchtsformen, die für die Kaiser entwickelt worden waren, galten nun Jesus Christus und waren damit erst eigentlich sinnvoll und gerechtfertigt. Was den Zeitgenossen Jesu nur in den wenigen Augenblicken der Verklärung und der Erscheinungen des Auferstandenen ahnbar geworden war, die Herrlichkeit seiner wahren Natur und die Gegenwart des Gottesreichs, davon wollte der kaiserliche Glanz der Päpste den Gläubigen einen Begriff geben.
    Tatsächlich bewahrt die römische Kirche die wesentlichen Institutionen des römischen Kaisertums. Der Papst ist an die Stelle des Kaisers getreten und hat dessen priesterlichen Titel »Pontifex maximus« angenommen. Er trägt die roten Schuhe der Kaiser – sie stammen von den Opferkönigen der römischen Republik –, er wird wie Diokletian bei den liturgischen Prozessionen von Kerzenträgern und Weihrauch begleitet, er ist von Senatoren, den Kardinälen, umgeben, die den senatorischen Purpur tragen, und er stellt sich auf dem Rund des Petersplatzes der Akklamation der Volksversammlung. Bei genauerem Hinsehen lassen sich zahllose solcher Kontinuitäten feststellen. Sie haben immer auch Kritik hervorgerufen. Die Verschmelzung der Liebesbotschaft Jesu mit dem Machtapparat Roms, der Stiftung eines Priesterkönigtums, das den Gekreuzigten repräsentieren sollte, ist immer wieder geradezu als Verkehrung des Christentums in sein Gegenteil empfunden worden. Dennoch hat die katholische Kirche daran festgehalten, und sie durfte es aus guten Gründen.
    Widersprüchlichkeit ist für ein philosophisches System tödlich, für die Kirche hingegen der Rhythmus ihres Denkens; man könnte geradezu sagen, dass das Denken in Paradoxien das Geheimnis ihrer Vitalität ist. Im Streit um die Natur Christi widerstand sie den eindeutigen, logisch akzeptablen Entwürfen der Arianer, die Christus als Geschöpf Gottes verstanden, und der Monophysiten, die ihn ausschließlich als göttliches Wesen sehen wollten, indem sie die unauflösliche Formel »Christus ist ganz Mensch und ganz Gott« prägte. Die Fleischwerdung Gottes schuf die sichtbare Kirche – der menschgewordene Gott wollte sich durch Menschen darstellen lassen. Die Vollendung des Gottesreichs auf Erden wird aber durch die Fortdauer der Erbsünde durchkreuzt; das Pendel zwischen der Vollkommenheit der göttlichen Schöpfung und der Unvollkommenheit der erbsündlich gefallenen Welt kommt nicht zur Ruhe, durch Christus ist die Erlösung greifbar, aber noch nicht allgemein. Durch die Menschwerdung hat Gott die Würde der Menschen erneuert, die Welt und ihre Materie ist wieder zur Vergöttlichung befähigt, aber die Menschen hören nicht auf, diesen Zustand wieder zu beschädigen, die Welt verharrt in einem Schwebezustand aus fortwährendem Sündigen und fortwährender Vergebung.
    Menschliche Ikone dieses Zustandes ist der Papst, der Herrscher über das Reich des Noch-Nicht. Die erbsündliche Welt braucht die Ordnung und die Vergebung – für beides steht er. Er ist Staat, um die Authentizität des Christus-Ereignisses über die Jahrtausende vor der Willkür der

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