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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Christenheit. Vor der heiligen,
     erhabenen Würde dieses Bauwerks hatten sich selbst Kaiser und Könige verbeugt.
    Lothar stieg aus dem Sattel, kniete aber nicht nieder, um die übliche Geste der Ehrerbietung zu vollziehen und die Treppe
     zu küssen, die hinauf zum Dom führte. Statt dessen stieg er mit forschen Schritten die Stufen hinauf, gefolgt von einer Gruppe
     Bewaffneter. Erschreckt versammelten die Prälaten |382| sich vor den geöffneten Türen des Domes, und die Männer der päpstlichen Garde, die Hände an den Schwertern, umringten Sergius
     wie ein schützender Wall.
    Plötzlich bewegten die Türen des Petersdomes sich wie von Geisterhand. Lothar sprang erschreckt zurück. Seine Männer zogen
     ihre Schwerter und verharrten angriffsbereit, ließen die Blicke umherschweifen. Doch in der näheren Umgebung war niemand zu
     sehen. Langsam schwangen die Türen an den Angeln nach innen, als würden sie von übernatürlichen Kräften bewegt, bis sie mit
     dumpfem, endgültig klingendem Knall zufielen.
    Jetzt!
Johanna versuchte, Sergius durch schiere Willenskraft zum Handeln zu bewegen. Als hätte er ihren stummen Befehl gehört, reckte
     er sich und streckte in einer dramatischen Geste die Arme aus. Mit einemmal gab es den schwächlichen, kränklichen und unentschlossenen
     Mann nicht mehr, der Sergius in den letzten Tagen gewesen war; statt dessen sah er in seinem weißen
camelaucum
und den goldenen Umhängen hoheitsvoll und ehrfurchtgebietend aus.
    Sergius sprach fränkisch, um sicherzugehen, daß Lothars Soldaten ihn verstanden. »Hütet euch vor der Hand Gottes«, rief er
     mit Donnerstimme, »die euch den Weg zum heiligsten aller Altare versperrt hat!«
    Ängstlich schrien Lothars Männer auf und wichen zurück. Der Kaiser aber verharrte, wachsam und mißtrauisch.
    Sergius wechselte zur lateinischen Sprache über. »
Si pura mente et pro salute rei publicae huc adventistis …
Falls ihr euch reinen Geistes und guten Willens diesem Gemeinwesen nähert, so kommt und seid willkommen; falls nicht, wird
     keine Macht auf Erden euch diese Tore öffnen.«
    Lothar zögerte, noch immer mißtrauisch. Hatte Sergius ein Wunder beschworen? Lothar bezweifelte es. Sicher konnte er aber
     nicht sein; die Wege des Herrn waren unerforschlich. Außerdem war seine Position mit einemmal erheblich geschwächt; denn seine
     Soldaten fielen auf die Knie und ließen vor Schreck und Ehrfurcht ihre Schwerter aus den Händen gleiten.
    Mit gezwungenem Lächeln breitete Lothar die Arme aus, trat auf Sergius zu, zog ihn an sich und umarmte ihn. Die Lippen der
     Männer berührten sich bei einem förmlichen Friedenskuß.»
Benedictus qui venit in nomine Domini«,
erhoben sich |383| die freudigen Stimmen des Chores.»Gesegnet ist der, der da kommt im Namen des Herrn.«
    Wieder bewegten sich die Türen des Domes. Ehrfürchtig beobachteten aller Augen, wie die silberbeschlagenen Türblätter nach
     außen schwangen, bis sie wieder weit offenstanden. Arm in Arm, umbrandet von Jubelrufen, Gebeten und Gesängen, schritten Sergius
     und Lothar durch das Atrium ins Innere des Domes, um gemeinsam vor dem Grab des heiligen Petrus zu beten.
     
    Die Schwierigkeiten mit Lothar waren indes noch nicht ausgeräumt. Erklärungen mußten abgegeben und Entschuldigungen vorgebracht
     werden; man mußte Zugeständnisse machen und möglichst günstige Bedingungen aushandeln. Die unmittelbare Gefahr jedoch war
     gebannt.
    Johanna dachte an Gerold, und wie sehr er darüber gelacht hätte, daß sie sich seinen Trick mit der hydraulischen Vorrichtung
     zum Öffnen der Türen zunutze gemacht hatte. Sie sah ihn vor ihrem inneren Auge – wie seine indigoblauen Augen vor Fröhlichkeit
     funkelten und wie er bei seinem herzhaften Lachen den Kopf in den Nacken warf.
    Wie seltsam die Liebe sein kann,
ging es Johanna durch den Kopf. Da sah man einen Menschen viele Jahre nicht; man gewöhnte sich an den Gedanken, ihn verloren
     zu haben, und versöhnte sich mit dem Schicksal – und dann, in einem einzigen unbewachten Augenblick, stiegen die Erinnerungen
     wieder auf und der Schmerz kehrte zurück, so rauh und scharf wie eine frische Wunde.

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    |384| 22.
    Gerold atmete erleichtert auf, als er und seine Männer den letzten Steilhang des Mont Cenis bewältigt hatten. Lagen die Alpen
     erst einmal hinter ihnen, war der schwierigste Teil der Strecke geschafft. Die Via Francigena erstreckte sich vor ihnen, herrlich
     eben und in gutem Zustand; denn die Straße

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