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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Feindschaft
     auf irgendeine förmliche Weise erklärt; deshalb hatte man den Plan gefaßt, ihm einen festlichen Empfang zu bereiten, wie er
     einer Persönlichkeit von so außerordentlichem Rang zustand; sämtliche |380| Würdenträger der Stadt sollten dem Kaiser ihre Reverenz erweisen. Vielleicht entwaffnete diese für Lothar unerwartete Begrüßung
     den Kaiser lange genug, so daß der zweite Teil von Johannas Plan wirksam werden konnte.
    Am Vormittag war alles bereit. Sergius gab das Zeichen, und die erste der Gruppen, die
iudices
, ritten los; die gelben Banner mit ihren
signae
flatterten über ihnen. Hinter ihnen ritten die
defensores
und die Diakone; dann folgten zu Fuß die verschiedenen Gemeinden der in Rom lebenden Ausländer: Friesen, Franken, Sachsen,
     Langobarden und Griechen. Tapfer riefen sie einander Ermunterungen zu, als sie die Via Triumphalis hinunterzogen, an den verfallenden
     Skeletten heidnischer Tempel vorüber, die diese antike Straße säumten.
    Gebe Gott, daß sie nicht in den Tod marschieren,
dachte Johanna bei sich. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit Sergius zu. In den vergangenen Tagen hatte er gute gesundheitliche
     Fortschritte gemacht; aber er war noch längst nicht der alte. Würde er stark genug sein, die gewaltigen Anstrengungen dieses
     Tages zu ertragen? Johanna sprach zu einem der Kammerdiener, der einen Sessel holte. Dankbar ließ Sergius sich hineinsinken.
     Johanna reichte ihm zur Stärkung einen Becher Wasser, mit Zitronensaft und Honig vermischt.
    Etwa fünfzig der mächtigsten Männer Roms hatten sich derweil auf der breiten Vortreppe vor den Türen des Domes versammelt:
     sämtliche
optimates
, die höchsten Verwaltungsbeamten des Lateran; eine ausgewählte Gruppe von Kardinälen; mehrere Herzöge und Prinzen der Stadt
     sowie eine wahre Heerschar von Kammerdienern und anderen Bediensteten. Der Erzpriester Eustathius sprach ein kurzes Gebet;
     dann standen alle schweigend da. Jetzt konnten sie nur noch warten.
    Mit angespannten Gesichtern schauten die Versammelten den Platz vor dem Dom hinunter und hielten die Blicke auf jenen Punkt
     gerichtet, wo die Straße eine Kurve machte und hinter den grünen Sträuchern und Wiesen des
Campus Sancti Petri
verschwand.
    Unerträglich dehnte sich die Zeit. Die Sonne stieg langsam an einem wolkenlosen Himmel empor. Die frühmorgendliche Brise legte
     sich, so daß die Banner und Flaggen schlaff von den Stäben und Masten hingen. Fliegenschwärme kreisten träge |381| über der Versammlung; ihr nervtötendes Summen klang überlaut in der gespannten Stille.
    Mehr als zwei Stunden waren vergangen, seit die Prozession losgezogen war. Sie müßten doch längst schon zurück sein!
    Plötzlich erklang ein kaum hörbares Geräusch. Die Versammelten lauschten mit gespitzten Ohren. Wieder ertönte das Geräusch,
     gedämpft, aber unverkennbar – der Klang von Stimmen, die in der Ferne ein Lied sangen.
    »Deo gratias!«
Eustathius atmete auf, als die Banner der
iudices
wieder in Sicht kamen; sie flatterten am grünen Horizont wie gelbe Segel auf einem See. Augenblicke später waren die ersten
     Reiter zu sehen, gefolgt von unberittenen Mitgliedern der verschiedenen
scolae
. Hinter ihnen marschierte eine schwarze Masse, die sich so weit erstreckte, wie das Auge reichte: Lothars Heer. Johanna holte
     tief Luft. Eine so riesige Menschenmenge hatte sie nie zuvor gesehen.
    Sergius stand auf und stützte sich auf seinen Bischofsstab. Die Spitze der gewaltigen Prozession zog bis zu den Treppen des
     Domes und fächerte sich auf dem Petersplatz auf, bildete in der Mitte eine Gasse, durch die Lothar hindurch konnte.
    Und dann kam er, auf dem Rücken eines prächtigen Pferdes. Als Johanna sein düsteres Äußeres betrachtete, fiel es ihr leichter,
     die Geschichten über die barbarischen Grausamkeiten zu glauben, die diesem Mann vorausgeeilt waren: Der Kaiser hatte einen
     fleischigen, untersetzten Körper, auf dem ein dicker Hals mit einem massigen Kopf saßen; sein breites, flaches Gesicht und
     die schmalen Augen besaßen einen Ausdruck boshafter, verschlagener Intelligenz.
    Die beiden Gruppen standen einander gegenüber – die eine dunkel, rußgeschwärzt und schmutzig vom Staub der Straße, die andere
     makellos und strahlend in ihren weißen, priesterlichen Roben. Hinter Sergius erhob sich, weißglühend im Licht der Vormittagssonne,
     der Petersdom, das geistige Herz der Kirche, das Leuchtfeuer der Welt, das größte Heiligtum der

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