Die Päpstin
auf weichen Strohlagern in trockenen, warmen Ställen oder Scheunen.
Als sie um eine Biegung der Straße kamen, sahen die Männer, daß der Rauch nicht von einladenden Herdfeuern stammte, sondern
von den schwelenden Überresten niedergebrannter Häuser aufstieg. Einst mußte hier eine blühende Ansiedlung gestanden haben;
denn Gerold zählte die geschwärzten Ruinen von etwa fünfzehn Gebäuden. Der Brand war vermutlich durch eine Unachtsamkeit entstanden
– durch eine umgestürzte Öllampe vielleicht oder durch Funkenflug aus einem Herd; solche Unglücksfälle waren nicht ungewöhnlich
in Ansiedlungen, in denen die Häuser aus Holz und Reet errichtet waren.
Als er an den glimmenden, verkohlten Balken vorbeiritt, wurde Gerold an Villaris erinnert. Es hatte fast genauso ausgesehen
an jenem längst vergangenen Tag, als er heimgekehrt war und sein Anwesen von den Normannen niedergebrannt aufgefunden hatte.
Er mußte daran denken, wie er die Trümmer durchwühlt hatte – auf der Suche nach Johanna und zugleich von der Angst erfüllt,
sie zu finden. Seltsam. Es war siebzehn Jahre her, seit er sie das letzte Mal gesehen hatte, doch ihr Bild stand ihm noch
so deutlich vor Augen, als wäre es erst gestern gewesen: das gelockte weißgoldene Haar; die verführerische, melodische dunkle
Stimme; die tiefliegenden graugrünen Augen, die um so vieles klüger blickten, als Johanna an Jahren zählte.
Gerold verscheuchte ihr Bild aus seinen Gedanken. Manche |387| Dinge schmerzten zu sehr, als daß man sich daran erinnern sollte.
Anderthalb Kilometer hinter der zerstörten Ansiedlung, an dem hohen Wegkreuz, das die Stelle bezeichnete, an der sich zwei
Straßen trafen, bettelten eine Frau und fünf zerlumpte Kinder um Almosen. Als Gerold und seine Männer näher kamen, zog die
kleine Familie sich ängstlich zurück.
»Habt keine Furcht«, sagte Gerold zu der Frau. »Wir tun euch kein Leid.«
»Habt Ihr etwas zu essen, Herr?« fragte sie. »Für die Kinder?«
Vier von den Kleinen rannten zu Gerold und streckten ihm in stummem Flehen die Hände entgegen; ihre kleinen Gesichter waren
schmutzig und vom Hunger ausgezehrt. Das fünfte Kind – ein schwarzhaariges, hübsches Mädchen von etwa dreizehn Jahren – blieb
zurück und klammerte sich an die Mutter.
Gerold nahm den Lederbeutel aus seiner Satteltasche, in dem sich seine Lebensmittelration für den nächsten Tag befand. Der
Beutel enthielt einen halben Laib Brot, eine dicke Scheibe Käse sowie ein getrocknetes und gesalzenes Stück Rehkeule. Gerold
wollte das Brot schon in zwei Hälften zerbrechen, als er sah, wie die Kinder ihn beobachteten.
Ach, egal,
sagte er sich und gab ihnen den gesamten Inhalt des Beutels.
Es sind nur noch wenige Tagesreisen, dann sind wir in Rom. Bis dahin kann ich mich von dem Zwieback ernähren, den wir auf
dem Mannschaftswagen mitführen.
Die Kinder jubelten und fielen wie ein Schwarm halbverhungerter Vögel über die Lebensmittel her.
»Kommt Ihr aus dem Dorf?« fragte Gerold die Frau und zeigte auf die geschwärzten Ruinen weit hinter ihnen. Die Frau nickte.
»Mein Mann ist dort der Müller.«
Gerold ließ sich sein Erstaunen nicht anmerken. Die zerlumpte Gestalt vor ihm sah weiß Gott nicht so aus wie die Frau eines
Müllers, der meist zu den wohlhabendsten Bewohnern eines Dorfes zählte. »Was ist geschehen?«
»Vor fünf Tagen, kurz nach der Frühjahrsaussaat, sind Soldaten gekommen. Die Männer des Kaisers. Sie sagten, wir müßten ihnen
unsere Treue zu Lothar schwören, oder wir würden auf der Stelle durch das Schwert sterben. Da haben wir natürlich den Schwur
geleistet.«
|388| Gerold nickte. Lothars Zweifel an der Treue der Bewohner dieses Teils der Lombardei waren nicht ganz unbegründet, denn das
Gebiet gehörte erst seit verhältnismäßig kurzer Zeit zum Imperium; Karl der Große, Lothars Großvater, hatte das einstige Langobardenreich
erobert.
»Aber wenn ihr den Treueid geleistet habt, weshalb wurde das Dorf dann zerstört?« fragte Gerold.
»Weil die Männer uns nicht glaubten. Sie haben uns als Lügner bezeichnet und brennende Fackeln auf die Dächer unserer Häuser
geworfen. Als wir versuchten, die Flammen zu löschen, hielten sie uns mit ihren Schwertern zurück. Unsere Getreidespeicher
haben die Männer ebenfalls in Brand gesetzt, obwohl wir sie angefleht haben, es um der Kinder willen nicht zu tun. Aber die
Soldaten haben nur gelacht und die Kinder als die Brut von
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