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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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»Haßt Ihr ihn so sehr? Gebt acht, Johannes Anglicus! Falls Ihr Christi Stellvertreter
     auf Erden die Hilfe verweigert, ist Eure unsterbliche Seele in größter Gefahr.«
    »Ich hasse ihn nicht«, sagte Johanna wahrheitsgemäß. Sergius war kein schlechter Mensch; das wußte sie. Er war nur schwach
     und seinem korrupten Bruder gegenüber zu vertrauensselig. |378| »Aber ich werde dieses Mittel nur in kundige Hände geben, denn es besitzt gewaltige Kraft. Eine falsche Dosierung kann tödliche
     Folgen haben.« Das stimmte nicht ganz; eine so starke Wirkung, wie Johanna vorgab, besaß die pulverisierte Wurzel nun auch
     wieder nicht. Man mußte schon eine sehr große Dosis verabreichen, um einem Menschen ernsten Schaden zuzufügen. Aber dies war
     ihre Chance, die Freiheit wiederzuerlangen; falls die Kerkertür sich noch einmal vor ihr schloß, war ihr der Weg hinaus vielleicht
     für immer versperrt. »Außerdem«, fügte sie hinzu, »muß ich Seine Heiligkeit sehen, um ihn heilen zu können. Woher soll ich
     wissen, daß er an der gleichen Krankheit leidet wie damals?«
    Arighis zögerte. Einen Gefangenen freizulassen, wäre eine Insubordination und zudem ein Befehl, der dem des Papstes widersprach.
     Doch jetzt, da der fränkische Kaiser vor den Toren der Stadt stand, waren das Papsttum und Rom möglicherweise verloren, falls
     Sergius starb.
    »Also gut«, sagte er kurz entschlossen. »Kommt. Ich bringe Euch zu Seiner Heiligkeit.«
     
    Sergius lag auf den weichen Seidenkissen des päpstlichen Bettes. Der schlimmste Schmerz war verebbt, hatte Sergius aber so
     viel Kraft gekostet, daß er sich erschöpft und geschwächt wie ein neugeborenes Kätzchen fühlte.
    Die Tür des Zimmers wurde geöffnet, und Arighis trat ein, gefolgt von Johannes Anglicus.
    Sergius fuhr heftig zusammen. »Was hat dieser Sünder hier zu suchen?«
    »Er bringt Euch ein starkes Mittel, Heiligkeit«, sagte Arighis, »das Euch wieder gesund macht.«
    Sergius schüttelte den Kopf. »Ein Arzt ist nur das Instrument Gottes. Der Herr wird nicht zulassen, daß mir seine Gnade durch
     die unreinen Hände dieses Sünders zuteil wird.«
    »Meine Hände sind nicht unrein«, protestierte Johanna. »Benedikt hat Euch belogen, Heiligkeit.«
    »Ihr wart im Bett dieser Hure«, entgegnete Sergius anklagend. »Die Wachen haben es mit eigenen Augen gesehen.«
    »Was die Männer gesehen haben, wußten sie schon vorher, und was sie berichtet haben, wurde ihnen aufgetragen«, erwiderte Johanna.
     Mit knappen Worten erklärte sie dem Papst, wie Benedikt sie in die Falle gelockt hatte. »Ich wollte nicht zu |379| dieser Frau gehen«, endete sie, »aber Arighis hat darauf bestanden.«
    »Das stimmt, Heiligkeit«, gab der Haushofmeister zu. »Johannes Anglicus hat mich gefragt, ob ich nicht einen der anderen Ärzte
     schicken könne. Aber Benedikt hat unbedingt gewollt, daß Johannes diesen Krankenbesuch macht.«
    Sergius schwieg für längere Zeit. Schließlich sagte er mit schwankender Stimme zu Johanna: »Wenn das stimmt, ist Euch bitteres
     Unrecht geschehen.« Verzweifelt wandte er den Blick ab. »Daß Lothar gegen Rom zieht, ist Gottes gerechte Strafe für all meine
     Sünden!«
    »Würde Gott Euch bestrafen wollen, könnte er es sich einfacher machen«, sagte Johanna. »Warum sollte er das Leben tausender
     Unschuldiger opfern, wo er Euch mit einem Schlag zerschmettern könnte?«
    Sergius blickte sie erstaunt an. Wie bei vielen Mächtigen, war ihm angesichts der maßlosen Überschätzung der eigenen Bedeutung
     dieser Gedanke offenbar noch gar nicht gekommen.
    »Außerdem ist Lothars Kommen keine Strafe«, fuhr Johanna fort, »sondern eine Probe – eine Probe Eures Glaubens. Ihr müßt die
     Menschen durch die Kraft Eures Beispiels führen, Heiligkeit.«
    »Ich bin krank am Körper und am Herzen. Laßt mich sterben.«
    »Falls das geschieht, wird der Wille der Menschen mit Euch sterben. Um ihretwillen
müßt
Ihr stark sein.«
    »Was macht es schon aus, ob ich stark bin oder nicht?« sagte Sergius hoffnungslos. »Wir können Lothars Heer nicht standhalten.
     Da müßte schon ein Wunder geschehen.«
    »Dann«, sagte Johanna geheimnisvoll, »laßt uns dieses Wunder bewirken.«
     
    Am Pfingstmontag – jenem Tag, an dem man mit Lothars Erscheinen rechnete – füllte der Platz vor dem Petersdom sich mit Angehörigen
     der verschiedenen
scolae
der Stadt, die in ihre prächtigsten Gewänder gekleidet waren. Lothar hatte weder der Stadt Rom noch dem Papst seine

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