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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Verrätern bezeichnet, die den Tod verdient hätte.«
    »Diese Verbrecher!« rief Gerold wütend. Viele Male hatte er versucht, Lothar davon zu überzeugen, daß er seine Untertanen
     nicht durch Gewalt für sich gewinnen könne, sondern durch gerechte Behandlung und die Einhaltung der Gesetze. Wie üblich,
     waren seine Worte auf taube Ohren gestoßen.
    »Die Soldaten haben alle Männer mitgenommen«, fuhr die Frau fort, »bis auf die sehr jungen und die ganz alten. Die Soldaten
     haben gesagt, daß der Kaiser gegen Rom marschiert und noch Krieger für seine Fußtruppen braucht.« Die Frau brach in Tränen
     aus. »Sie haben meinen Mann und zwei meiner Söhne mitgenommen. Der Jüngere ist erst elf!«
    Gerold machte ein finsteres Gesicht. Es war weit gekommen, wenn Lothar sich schon dazu herabließ, seine Schlachten von Kindern
     schlagen zu lassen.
    »Was hat das zu bedeuten, Herr?« fragte die Frau verzweifelt. »Will der Kaiser Krieg gegen die heilige Stadt führen?«
    »Ich weiß es nicht.« Bis zu diesem Augenblick war Gerold in dem Glauben gewesen, Lothar wolle Papst Sergius und die Römer
     durch eine Demonstration militärischer Stärke lediglich einschüchtern. Doch die Zerstörung dieses Dorfes war ein unheilvolles
     Vorzeichen. Wenn Lothar sich in einer so rachsüchtigen Stimmung befand, war er zu allem fähig.
    »Kommt, gute Mutter«, sagte Gerold, »wir bringen Euch zur nächsten Stadt. Hier ist kein sicherer Ort für Euch und Eure Kinder.«
    |389| Die Frau schüttelte heftig den Kopf. »Ich gehe nicht von hier fort. Wie sollen mein Mann und meine Söhne uns finden, wenn
     sie heimkehren?«
    Falls
sie heimkehren, dachte Gerold finster, versuchte aber, sich diesen Gedanken nicht anmerken zu lassen. Er wandte sich an das
     junge Mädchen, das neben der Frau stand. »Sag deiner Mutter, daß sie mit uns kommen soll – zum Wohle der Kleinen.«
    Das Mädchen blickte Gerold stumm an.
    »Sie möchte nicht unhöflich sein, Herr«, entschuldigte sich die Mutter an des Mädchens Stelle. »Sie würde Euch antworten,
     wenn sie könnte; aber sie kann nicht sprechen.«
    »Sie kann nicht sprechen?« Gerold war erstaunt. Das Mädchen sah gesund aus, und es waren keinerlei Anzeichen für eine Geistesschwäche
     zu erkennen.
    »Man hat ihr die Zunge herausgeschnitten.«
    »Großer Gott!« Das Abschneiden der Zunge war die übliche Strafe für Diebe und andere Schurken, die nicht schnell genug waren,
     sich dem Zugriff der harten Gesetze zu entziehen. Aber dieses unschuldige junge Mädchen hatte sich bestimmt keines schweren
     Verbrechens schuldig gemacht. »Wer hat das getan?« fragt er. »Doch nicht etwa …«
    Die Frau nickte voller Erbitterung. »Lothars Soldaten haben ihr Gewalt angetan. Dann haben sie ihr die Zunge herausgeschnitten,
     damit sie die Männer dieses Verbrechens nicht anklagen konnte.«
    Gerold schüttelte fassungslos den Kopf. Derartige Greueltaten konnte man von den heidnischen Normannen erwarten oder von den
     Sarazenen – aber doch nicht von den Soldaten des Kaisers, den Verteidigern christlichen Rechts und Gesetzes!
    Mit barscher Stimme erteilte Gerold Befehle. Seine Männer gingen zu den Wagen, nahmen einen Sack Zwieback sowie ein Fäßchen
     Wein herunter und legten beides vor der kleinen Familie auf die Straße.
    »Gott segne Euch«, sagte die Frau des Müllers gerührt.
    »Und Euch, gute Mutter«, erwiderte Gerold.
     
    Die Männer kamen durch weitere niedergebrannte und verlassene Siedlungen entlang des Weges. Lothar hatte eine Fährte aus Blut,
     Leid und Zerstörung durch das Land gezogen.
    |390|
Fidelis adiutor
. Als
fidelis,
der dem Kaiser Gefolgstreue geschworen hatte, war Gerold durch seinen Eid daran gebunden, Lothar ehrenvoll zu dienen. Doch
     worin lag die Ehre, Diener eines
solchen
Kaisers zu sein? So, wie Lothar das Gesetz und die Menschenwürde mit Füßen trat, war es gewiß kein Treuebruch, sich von seinen
     Verpflichtungen loszusagen.
    Gerold beschloß, seine Nachhuteinheit der kaiserlichen Armee bis nach Rom zu führen, so, wie er es versprochen hatte. Anschließend
     aber wollte er dem Tyrannen Lothar seinen Dienst für immer aufkündigen.
     
    Hinter Napi wurde die Reise zunehmend beschwerlicher. Die gut befestigte Straße verwandelte sich in einen schmalen, verwahrlosten
     Pfad, der von tückischen Spalten und Rinnen durchzogen war. Der Pflastersteinbelag aus der antiken Römerzeit war verschwunden;
     die meisten der uralten Steine waren aus dem Boden gerissen und

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