Die Päpstin
bewegungslos im Wasser. Dann,
mit einem lauten Ächzen und Stöhnen der Planken, trieben sie majestätisch von der Küste fort. Die Ruder, die zu beiden Seiten
aus den Schiffsrümpfen ragten, bewegten sich in stetem Rhythmus auf und ab, auf und ab, und funkelten, als wären sie mit Edelsteinen
besetzt. Dann erfaßte der Wind die Segel und blähte sie, und die riesigen Biremen gewannen an Geschwindigkeit; ihre eisenbeschlagenen
Rümpfe zerschnitten das türkisfarbene Wasser und zogen mächtige, gischtende Fährten.
Die sarazenischen Schiffe drehten bei, um sich dem Feind zu stellen. Doch bevor die gegnerischen Flotten aufeinandertreffen
konnten, kündete ein plötzliches, ohrenbetäubendes Krachen und Donnern von einem nahenden Unwetter. Der Himmel verdunkelte
sich, als schwarze Wolken aus Richtung des Meeres von einem Sturmwind herangepeitscht wurden. Den schweren neapolitanischen
Zweiruder-Schiffen gelang es, in die Sicherheit des Hafens zurückzueilen. Die kleineren sarazenischen Schiffe jedoch, die
um der Schnelligkeit und Wendigkeit in der Schlacht wegen eine niedrige Freibordhöhe besaßen, waren zu leicht gebaut, als
daß sie dem Unwetter hätten entfliehen können. Sie wurden von den riesigen Wogen emporgeschleudert und hilflos hin und her
geworfen wie Blätter auf einem sturmgepeitschten See. Die eisernen Rammen an |468| den Bügen prallten gegen die Schwesterschiffe und rissen ihnen die Rümpfe auf.
Viele sarazenische Schiffe versuchten, den feindlichen Hafen anzusteuern. Doch kaum erreichten sie die Küste, stürmten die
Römer die Schiffe, und die Besatzungen wurden mit jenem gewalttätigen und wilden Zorn, der aus dem Entsetzen geboren wird,
gnadenlos niedergemacht oder von den Schiffen gezerrt und an hastig am Ufer errichteten Galgen erhängt. Als sie das Schicksal
ihrer Kameraden sahen, flüchteten die Besatzungen der übrigen sarazenischen Schiffe voller Panik aufs offene Meer, wo sie
von den sturmgepeitschten Wogen verschlungen wurden.
Im Augenblick dieses unerwarteten Sieges beobachtete Johanna den Papst. Leo stand auf den Stufen der Kirchentreppe, die Arme
erhoben und die Augen voller Dank zum Himmel gerichtet. Er sah ätherisch aus, himmlisch und übernatürlich, so, als wäre er
von einer göttlichen Wesenheit berührt worden.
Vielleicht kann er
tatsächlich
Wunder wirken,
dachte Johanna, als sie vor Leo hin trat und sich verbeugte.
»Sieg! Sieg in Ostia!« Die Neuigkeit verbreitete sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt. Jubelnd stürmten die Römer auf die
Straßen; die päpstlichen Lagerhäuser wurden geöffnet, und kostenlos floß der Wein in Strömen; drei Tage lang gab die Stadt
sich ausgelassenen Feiern hin.
Vor den Augen johlender, feindseliger Menschenmengen wurden fünfhundert gefangene Sarazenen in die Stadt getrieben. Viele
wurden schon auf den Straßen gesteinigt, erschlagen oder erstochen. Die Überlebenden, etwa dreihundert an der Zahl, brachte
man in Ketten in ein Lager auf der Neronischen Ebene, wo sie gefangengehalten wurden und unter strenger Bewachung an der Leoninischen
Mauer mitarbeiten mußten.
Dank dieser zusätzlichen dreihundert Arbeitskräfte wuchs die Mauer noch schneller als zuvor. Nach dreijähriger Bauzeit war
sie schließlich fertiggestellt – ein Meisterwerk der Architektur; das außergewöhnlichste Bauwerk, das die Stadt seit Hunderten
von Jahren gesehen hatte. Das gesamte vatikanische Territorium – die Leostadt – war nun von einem Schutzwall umschlossen,
der vier Meter dick und mehr als zwölf Meter hoch war und von vierundvierzig gewaltigen Türmen |469| bewacht wurde. Durch drei Tore gelangte man in die Stadt: das Posterula Sant’ Angeli, das Posterula Saxonum – so genannt,
weil es in die sächsische Gemeinde führte – und das Posterula San Peregrinus, das Haupttor, durch das künftige Generationen
von Königen und Prinzen ziehen sollten, um vor dem Grab des heiligen Petrus zu beten.
Doch so bemerkenswert die Mauer auch war – sie war erst der Anfang der ehrgeizigen Baupläne Leos für die Stadt Rom. Der »Wiedererrichtung
aller Plätze der Heiligen« gewidmet, begann der Papst mit einem gewaltigen Restaurierungsprogramm. Das Klingen von Ambossen
schallte Tag und Nacht durch die Stadt, als an einer Kirche Roms nach der anderen die Arbeit aufgenommen wurde. Die niedergebrannte
Basilika der sächsischen Gemeinde wurde ebenso wieder aufgebaut wie die friesische Kirche Sankt Michael
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