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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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die Leute sie den »kleinen Papst« nannten und sie mit einem gut Teil jener Zuneigung und Achtung
     begrüßten, die eigentlich Leo zustanden.
    Als Johanna den Arm nach dem Stapel Bittschriften ausstreckte, streifte Gerolds Hand die ihre. Hastig zog sie den Arm zurück,
     als hätte sie sich verbrannt. »Ich … ich sollte jetzt besser gehen«, sagte sie unbeholfen.
    Sie war unendlich erleichtert – und ein bißchen enttäuscht –, daß Gerold ihr nicht folgte.
     
    Wegen des erfolgreichen Baues der Leoninischen Mauer und der Wiedererrichtung der Peterskirche stieg Leos Beliebtheit zu neuen
     Höhen.
Restaurator Urbis
nannten die Leute ihn – den Mann, der Rom wiederaufbaute. Er wurde als »neuer Hadrian« bezeichnet, oder als »zweiter Aurelius«.
     Ganz Rom hallte wider von den Lobgesängen auf den Papst; überall jubelten die Menschen ihm zu, bewunderten ihn, verehrten
     ihn.
    Überall – nur nicht im Palast auf dem palatinischen Hügel, in dem Bischof Arsenius mit wachsender Ungeduld auf jenen Tag wartete,
     an dem er Anastasius nach Hause rufen konnte.
    Die Dinge hatten sich anders entwickelt als erwartet. Es gab keine Möglichkeit, Leo vom Papstthron zu stoßen, wie Arsenius
     ursprünglich gehofft hatte – und noch weniger Hoffnung bestand darauf, daß dieser Thron durch den glücklichen Umstand frei
     wurde, daß Leo starb: Gesund und voller Energie erweckte dieser Mann den Anschein, ewig zu leben.
    |472| Und nun hatte Arsenius’ Familie einen weiteren Schicksalsschlag hinnehmen müssen. Letzte Woche war Arsenius’ zweiter Sohn
     Eleutheris gestorben. Er war die Via Recta hinuntergeritten, als plötzlich ein Schwein zwischen die Beine seines Pferdes gestürmt
     war; das Pferd hatte sich aufgebäumt, und Eleutheris war aus dem Sattel zu Boden gestürzt, wobei er sich eine Schnittwunde
     an der Hüfte zuzog. Zuerst hatte niemand sich Sorgen gemacht; es war nur eine leichte Verletzung.
    Doch ein Unglück kommt bekanntlich selten allein. Die Wunde hatte sich entzündet. Arsenius hatte Ennodius rufen lassen; der
     hatte Eleutheris zwar reichlich zur Ader gelassen, aber nichts damit erreicht. Nach nur zwei Tagen war der junge Mann gestorben.
     Arsenius hatte unverzüglich Nachforschungen darüber anstellen lassen, wem das Schwein gehörte, das dem Pferd seines Sohnes
     zwischen die Beine gerannt war; als man den Eigentümer ermittelt hatte, ließ Bischof Arsenius ihm die Kehle von einem Ohr
     bis zum anderen aufschlitzen. Aber die Rache bescherte ihm nur wenig Trost, denn sie brachte ihm Eleutheris nicht zurück.
    Nicht, daß eine tiefe Liebe zwischen Vater und Sohn bestanden hätte: Eleutheris war das genaue Gegenteil seines Bruders Anastasius
     – schon als Kind weich, träge und undiszipliniert, hatte er verächtlich das Angebot des Vaters ausgeschlagen, eine kirchliche
     Ausbildung zu durchlaufen; statt dessen entschied er sich für die handfesteren Vorzüge des Lotterlebens: Frauen, Wein, Glücksspiel
     und andere Formen der Ausschweifungen.
    Nein, Arsenius betrauerte bei Eleutheris’ Tod nicht den Menschen, der er gewesen war oder noch hätte werden können, wäre ihm
     genug Zeit geblieben – er trauerte um das, wofür Eleutheris gestanden hatte: einen anderen Zweig des Familienbaumes – ein
     Zweig, der vielleicht irgendwann einmal vielversprechende Früchte getragen hätte.
    Jahrhundertelang waren sie die führende Familie Roms gewesen. Stolz konnte Arsenius seine Herkunft in direkter Linie bis auf
     den großen Kaiser Augustus zurückführen. Doch seine edle Abstammung hatte durch Versagen und Versäumnisse an Glanz verloren,
     denn keiner der adeligen Söhne hatte je den höchsten aller Siegespreise errungen: den Thron des heiligen Petrus. Wie viele
     Männer niederer Herkunft haben schon auf |473| diesem Thron gesessen! dachte Arsenius voller Bitterkeit. Und mit welch tragischem Ergebnis! Rom – das mächtige Rom, einst
     der Beherrscher der Welt –, war zu einer Stadt des ruinösen und beschämenden Verfalls herabgesunken. Die Byzantiner machten
     sich offen über die Stadt lustig und wiesen stolz auf den prunkvollen Glanz ihres Konstantinopel hin. Doch wer aus Arsenius’
     Familie, dieser Erben des Cäsar Augustus, konnte die Stadt wieder zu alter Größe führen?
    Nun war Eleutheris tot, und Anastasius war der letzte in der Reihe, die einzige verbliebene Chance für die Familie, ihre Ehre
     zu retten – und Rom.
    Und Anastasius war ins Frankenreich verbannt.
    Arsenius spürte, wie

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