Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
schwarze Verzweiflung von ihm Besitz ergreifen wollte. Entschlossen schüttelte er sie ab, wie einen schlecht
     sitzenden Umhang. Wahre Größe wartete nicht auf die passenden Umstände, sich zu entfalten, sie schuf sich diese Umstände selbst.
     Und die Regierenden mußten bereit sein, den Preis für die Macht zu entrichten, wie hoch er auch sein mochte.
     
    Während der Messe am heiligen Fest Johannes des Täufers bemerkte Johanna zum erstenmal, daß mit Leo irgend etwas nicht stimmte.
     Seine Hände zitterten, als er die Hostien verteilte, und mit ungewohnt stockender Stimme betete er das Responsorium.
    Als Johanna ihn nach der Messe darauf ansprach, tat er die Symptome als harmlose Magenverstimmung ab.
    Am nächsten Tag war keine Besserung eingetreten; auch nicht am übernächsten und auch nicht am Tag danach. Leo litt unter ständigem
     Kopfweh und klagte über brennende Schmerzen in den Händen und Füßen. Jeden Tag wurde er schwächer; jeden Tag kostete das Aufstehen
     ihn größere Mühe. Johannas Ängste wuchsen. Sie benutzte alle Heilmittel, die sie kannte. Nichts half. Die Krankheit, die Leos
     Körper auszehrte, ließ sich nicht aufhalten. Unaufhaltsam sank er dem Tod entgegen.
     
    Laut erhoben sich die Stimmen des Chores beim
Te Deum,
dem abschließenden Lobgesang der Messe. Anastasius versuchte, bei den disharmonischen Klängen nicht das Gesicht zu verziehen,
     und behielt seine ausdruckslose Miene bei. Er hatte |474| sich nie an diesen fränkischen Gesang gewöhnen können, dessen rauhe Töne ihm wie das Krächzen von Raben in den Ohren kratzte.
     Als Anastasius an die lieblichen, harmonischen Gesänge in den römischen Kirchen dachte, verspürte er einen schmerzhaften Stich
     des Heimwehs.
    Nicht, daß die Zeit in Aachen verschwendet gewesen wäre: Den Anweisungen seines Vaters gemäß, hatte Anastasius entschlossen
     daran gearbeitet, die Unterstützung des Kaisers zu gewinnen. Er umwarb Lothars Freunde und Vertraute; er hegte ein freundschaftliches
     Verhältnis zu Lothars Frau Ermengard; er umschmeichelte eifrig die fränkischen Adeligen und beeindruckte sie mit seinem Bibelwissen
     und besonders mit seinen Griechischkenntnissen – eine seltene Fertigkeit. Ermengard und ihre Freundinnen verwendeten sich
     beim Kaiser für Anastasius, und der in Ungnade gefallene Kardinal erwarb sich wieder Lothars Sympathien. Der Groll, den der
     Kaiser ihm gegenüber gehegt haben mochte, verflog ebenso wie die Zweifel an Anastasius’ Loyalität. Bald konnte der Kardinal
     sich wieder des Vertrauens und der Unterstützung Lothars erfreuen.
    Ich habe alle Wünsche meines Vaters erfüllt – und mehr. Aber wann werde ich meinen Lohn bekommen?
Es gab Zeiten – so wie jetzt –, da Anastasius befürchtete, er müsse vielleicht für immer in diesen kalten, barbarischen Landen
     im Norden bleiben.
    Als er nach der Messe auf seine Gemächer zurückkehrte, entdeckte er einen Brief, der während seiner Abwesenheit eingetroffen
     sein mußte. Als er die Handschrift seines Vaters erkannte, nahm Anastasius ein Messer und schnitt hastig das Siegel durch.
     Nachdem er die ersten Zeilen gelesen hatte, stieß er einen Freudenschrei aus.
    Die Zeit ist reif,
hatte sein Vater geschrieben.
Komm und mache deinen Anspruch geltend.
     
    Leo lag auf der Seite im Bett. Er hatte die Knie an den Leib gezogen, so schlimm wütete der Schmerz in seinem Magen. Johanna
     bereitete ein Linderungsmittel aus Eiweiß, das in gesüßte Milch geschlagen war, in die sie als Mittel gegen Blähungen ein
     wenig Fenchel gegeben hatte. Sie beobachtete, wie Leo den Trank zu sich nahm.
    »Das hat gut getan«, sagte er.
    |475| Johanna wartete, ob Leo das Mittel im Magen behielt. Zu ihrer Erleichterung war das der Fall. Dann schlief Leo so ruhig wie
     seit Wochen nicht mehr, und als er Stunden später erwachte, fühlte er sich besser.
    Johanna beschloß, ihm eine strenge Diät aus Heiltränken zu verabreichen; alle anderen Speisen und Getränke waren vorerst gestrichen.
    Waldipert protestierte. »Er ist viel zu schwach! Er braucht vernünftiges Essen, um wieder zu Kräften zu kommen.«
    Johanna erwiderte fest: »Die Behandlung hilft ihm. Vorerst braucht er keine andere Nahrung als die Heiltränke.«
    Als er den entschlossenen Ausdruck in Johannas Augen sah, gab Waldipert klein bei. »Wie Ihr wünscht,
nomenclator.«
    Eine Woche lang besserte sich Leos Gesundheitszustand. Die Schmerzen verschwanden, und sein Gesicht bekam wieder Farbe, ja,
     er schien

Weitere Kostenlose Bücher