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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Pike und Streitkolben waren sie bis
     an die Zähne bewaffnet, so daß Anastasius auf den gefährlichen Straßen geschützt war. Sein Pferd stand in der Nähe und schlenkerte
     ungeduldig mit dem Kopf. Es war ein kräftiger, lebhafter Brauner – das Lieblingspferd seines Vaters, wie Anastasius erkannte.
    »Ihr habt noch zwei, drei Stunden Tageslicht«, sagte Arsenius, »Zeit genug, um einen guten Vorsprung herauszureiten. Heute
     werden sie die Jagd auf dich nicht mehr eröffnen, denn sie können ja nicht wissen, daß du gewarnt bist. Außerdem wird Leo
     vorsichtshalber einen offiziellen Befehl für deine Verhaftung ausstellen. Leos Männer werden sich nicht vor morgen früh auf
     den Weg machen, und ich bin sicher, sie werden zuerst in der Kirche von Sankt Marcellus nach dir suchen. Bis sie auf den Gedanken
     kommen, es hier zu versuchen, bist du ein gutes Stück fort.«
    Von plötzlicher Sorge befallen, fragte Anastasius: »Und was ist mit dir, Vater?«
    »Sie haben keinen Grund, mich zu verdächtigen. Falls sie versuchen, mich über deinen Aufenthaltsort auszufragen, werden sie
     feststellen, daß sie einen Wolf beim Schwanz gepackt haben.«
    Vater und Sohn umarmten sich.
    Kann das alles wirklich wahr sein?
fragte sich Anastasius. Alles geschah so schnell, daß man es gar nicht richtig fassen konnte.
    »Gott sei mit dir, mein Sohn«, sagte Arsenius.
    »Und mit dir, Vater.« Anastasius schwang sich in den Sattel und riß das Pferd so rasch herum, daß sein Vater nicht sehen konnte,
     wie ihm die Tränen in die Augen traten. Unmittelbar hinter dem Tor warf Anastasius einen letzten Blick zurück. Die blutrote
     Sonne näherte sich dem Horizont und warf lange Schatten über die sanften Hügel Roms, bemalte die majestätischen Skelette des
     Forum Romanum und des Kolosseums mit rotgoldenen Farbtönen.
    Rom. All seine Arbeit, all sein Ehrgeiz, alles, was ihm jemals etwas bedeutet hatte, befand sich in den heiligen Mauern dieser
     Stadt.
    |464| Anastasius’ letzter Blick galt dem Gesicht seines Vaters – schmerzerfüllt, aber entschlossen und so fest und unerschütterlich
     wie der Fels von Sankt Peter.
     
    »Excommunicaeo te in ternum per Deum vivum, per Deum verum …«
    In der kalten Dunkelheit der Lateranbasilika lauschte Johanna, wie Leo die gleichermaßen feierlichen wie schrecklichen Worte
     sprach, die Anastasius für immer aus der heiligen Mutter Kirche ausschlossen. Ihr fiel auf, daß Leo sich für das
excommunicatio minor
entschieden hatte, die weniger strenge Form der Exkommunikation: Dem Bestraften wurde zwar das Recht aberkannt, die Sakramente
     zu spenden oder zu empfangen (von der Letzten Ölung abgesehen, die keinem Menschen verweigert werden konnte); doch wurde ihm
     nicht jeglicher Umgang mit anderen Christenmenschen untersagt. Leo hat wirklich ein gütiges Herz, dachte Johanna bei sich.
    Der gesamte römische Klerus, einschließlich der höchsten kirchlichen Würdenträger, hatte sich versammelt, um der feierlichen
     Zeremonie beizuwohnen; sogar Arsenius war gekommen, denn er wollte sein Amt als Bischof von Horta nicht durch sinnlosen öffentlichen
     Protest gefährden. Natürlich hatte Leo den Verdacht, daß Arsenius bei der Flucht seines Sohnes vor dem Gesetz die Hände im
     Spiel gehabt hatte; doch es gab keinen Beweis, der eine solche Anklage hätte erhärten können, und irgendeinen anderen Vorwurf
     konnte man gegen Arsenius nicht erheben. Der Vater eines Mannes wie Anastasius zu sein war ihm schwerlich als Verbrechen anzukreiden.
    Als die Kerze, die Anastasius’ unsterbliche Seele symbolisierte, umgedreht und die Flamme im Schmutz ausgedrückt wurde, überkam
     Johanna ein unerwarteter Anflug des Bedauerns.
Was für eine tragische Verschwendung,
dachte sie. Ein so intelligenter Mann wie Anastasius hätte sehr viel Gutes bewirken können, wäre sein Herz nicht von blindem
     Ehrgeiz zerfressen gewesen.

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    |465| 26.
    Der Bau der Leoninischen Mauer, wie sie nun allgemein genannt wurde, machte rasche Fortschritte. Das Feuer hatte ihr nur wenig
     Schaden zufügen können; das hölzerne Baugerüst, das von den Arbeitern benutzt wurde, war niedergebrannt, und eine der Brustwehren
     im Westen hatte schwere Schäden davongetragen; aber das war auch schon alles. Allmählich verschwanden auch die technischen
     Probleme, die das Bauvorhaben zu Anfang erschwert hatten. Außerdem setzte eine ausgedehnte Schönwetterperiode ein – lange,
     kühle und sonnige Tage, an denen kein Tropfen Regen

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