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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nahm zwanzig goldene
solidi
heraus und reichte sie Waldipert, der die Münzen rasch in seiner Tasche verschwinden ließ.
    »Es war mir eine Ehre, Euch zu Diensten zu sein, bischöfliche Gnaden«, sagte Waldipert, verbeugte sich kurz, wandte sich um
     und ging.
    Arsenius war über den ungebührlich knappen Abschied des
vicedominus
nicht erzürnt; Waldipert
mußte
wieder im Patriarchum sein, bevor jemandem seine Abwesenheit auffiel.
    Arsenius beglückwünschte sich zu seiner Weitsicht: Bereits vor vielen Jahren hatte er in Waldipert – damals war er bloß päpstlicher
     Kammerdiener gewesen – einen jungen Mann mit Zukunft erkannt. Es war ein teurer Spaß gewesen, sich über all die Jahre hinweg
     die Loyalität dieses Mannes zu erkaufen. Nun aber, da Waldipert Haushofmeister geworden war, würde Arsenius’ Investition sich
     bezahlt machen.
    Arsenius klingelte nach seinem Diener und befahl ihm: »Geh zur Kirche Sankt Marcellus und richte meinem Sohn aus, er möge
     sofort zu mir kommen.«
     
    Als er die Neuigkeit hörte, ließ Anastasius sich schwer in den Sessel gegenüber dem seines Vaters fallen. Im stillen verfluchte
     er sich; es demütigte ihn, daß Arsenius erfuhr, wie schrecklich er die Sache verpfuscht hatte.
    »Woher hätte ich denn wissen sollen, daß der Junge redet?« sagte Anastasius zu seiner Verteidigung. »Um mich zu verraten,
     mußte er sich selbst verurteilen.«
    »Es war ein Fehler, ihn am Leben zu lassen«, erwiderte Arsenius beiläufig. »Du hättest ihm in dem Augenblick die Kehle durchschneiden
     sollen, als die Tat vollbracht war. Tja, jetzt läßt es sich nicht mehr ändern. Jetzt müssen wir in die Zukunft blicken.«
    »Zukunft?« entgegnete Anastasius mit dumpfer Stimme. »Welche Zukunft?«
    »Nur die Schwachen geben sich der Verzweiflung hin, mein Sohn; nicht Menschen wie du und ich.«
    »Aber was soll ich denn tun? Die Lage ist aussichtslos.«
    »Du mußt Rom verlassen. Jetzt. Noch heute abend.«
    »O Gott!« Anastasius barg das Gesicht in den Händen. Die Welt stürzte für ihn zusammen.
    |462| »Denk daran, wer du bist und was du bist«, sagte Arsenius streng.
    Anastasius setzte sich gerade auf und mühte sich, seine Selbstbeherrschung wiederzuerlangen.
    »Du wirst nach Aachen gehen«, sagte Arsenius, »an den Hof des Kaisers.«
    Anastasius blickte den Vater entsetzt an. Panische Furcht breitete sich in seinem Innern aus, so daß er zu keinem klaren Gedanken
     mehr fähig war. »Aber … Lothar weiß, daß ich ihn bei der Papstwahl denunziert habe.«
    »Ja, und er weiß ebensogut, weshalb du dazu gezwungen warst. Er ist ein Mann, der politische Notwendigkeiten versteht – wie
     sonst, glaubst du, hätte er es geschafft, seinem Vater und den Brüdern den Thron zu entreißen? Außerdem braucht er Geld.«
     Arsenius nahm einen Lederbeutel von seinem Schreibpult und reichte ihn Anastasius. »Falls das kaiserliche Gefieder noch immer
     vor Zorn gesträubt ist, wird der Inhalt dieses Geldbeutels dazu beitragen, es wieder zu glätten.«
    Benommen starrte Anastasius auf den schweren Beutel voller Münzen.
Muß ich Rom wirklich verlassen?
Der Gedanke, den Rest seiner Tage bei irgendeinem Volksstamm der barbarischen Franken verbringen zu müssen, erfüllte ihn mit
     Schrecken.
Vielleicht wäre es besser, auf der Stelle zu sterben und damit aller Not ein Ende zu machen.
    »Du mußt es als eine Gelegenheit betrachten«, sagte sein Vater. »Eine Gelegenheit, sich am kaiserlichen Hof mächtige Freunde
     zu machen. Du wirst diese Freunde brauchen, wenn du erst Papst bist.«
    Wenn du erst Papst bist.
Die Worte durchdrangen den dichten Nebel von Anastasius’ Verzweiflung. Er sollte also nicht für den Rest seines Lebens fortgeschickt
     werden!
    »Um deine Angelegenheiten hier in Rom werde ich mich schon kümmern, keine Sorge«, sagte Arsenius. »Die Sympathie der Allgemeinheit
     wird nicht ewig Leo gelten. Irgendwann wird sie ihren Gipfelpunkt erreichen und dann verebben. Sobald ich der Meinung bin,
     die Zeit ist reif, werde ich nach dir schicken lassen.«
    Die Übelkeit, die Anastasius befallen hatte, ließ allmählich nach. Sein Vater hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben; deshalb
     konnte auch er selbst noch hoffen.
    |463| »Für eine Eskorte nach Aachen habe ich bereits gesorgt«, riß Arsenius’ Stimme ihn aus seinen Gedanken. »Zwölf meiner besten
     Leute. Komm, ich begleite dich zu den Ställen.«
    Die zwölf Wachen hatten bereits aufgesessen und waren aufbruchbereit; mit Schwert und

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