Die Päpstin
erschlaffte, als er seinen Gegnern
Bewußtlosigkeit vortäuschte. Doch seine Hand lag fest um den Griff seines Schwertes.
Kaum war er auf den Boden geprallt, sprang er auf, das Schwert in der Faust. Mit einem überraschten Schrei stürmte der Angreifer
vor, der Gerold am nächsten stand, und stach mit dem Schwert nach ihm. Gerold wich zur Seite aus, so daß |547| der Mann aus dem Tritt und ins Stolpern geriet. Wuchtig hieb Gerold nach dem Angreifer; der Mann stürzte zu Boden, und aus
seinem abgetrennten Arm spritzte das Blut. Weitere Angreifer drangen auf Gerold ein, doch nun hörte er die Rufe der Wachtposten,
die hinter ihm herbeigeeilt kamen. Er mußte der Übermacht nur noch wenige Augenblicke standhalten, dann war die Hilfe da.
Das Schwert ausgestreckt vor sich, wich Gerold zurück, wobei er die Angreifer wachsam im Auge behielt, die ihm wie ein Rudel
Wölfe folgten.
Der Dolch traf Gerold von hinten und glitt ihm mit lautloser Tücke zwischen die Rippen, so, wie ein Dieb in ein Heiligtum
eindringt. Noch bevor ihm bewußt wurde, was geschehen war, wurden ihm die Knie weich, und er sank langsam zu Boden. Selbst
jetzt noch staunte er, daß er keinen Schmerz spürte; er fühlte nur das warme Blut, das ihm über den Rücken strömte.
Über ihm hörte er wilde Rufe und das Klirren von Stahl. Die anderen Wachtposten waren endlich herangekommen und trieben die
Angreifer wütend zurück.
Ich muß an ihrer Seite kämpfen,
dachte Gerold benommen und versuchte, nach dem Schwert zu greifen, das neben ihm am Boden lag, doch er konnte keine Hand mehr
rühren.
Johanna hielt den Atem an, als sie beobachtete, wie Gerold sein Pferd zur Seite trieb und auf die Steinewerfer lospreschte.
Sie sah, wie andere Soldaten der päpstlichen Garde ihrem Befehlshaber folgen wollten – nur um von einer Gruppe Männer aufgehalten
zu werden, die sich in der Zuschauermenge befunden hatten; die Fremden schlossen sich zu einer Mauer aus Leibern zusammen
und versperrten den Gardisten den Weg, als hätten sie ein unsichtbares Zeichen erhalten.
Eine Falle!
durchfuhr es Johanna. Verzweifelt rief sie Gerold eine Warnung zu, doch ihre Worte wurden vom Lärm der verwirrten und erstaunten
Menschenmenge übertönt. Johanna gab ihrem Pferd die Sporen, um zu Gerold zu gelangen, doch das Tier rührte sich nicht von
der Stelle, denn die Diakone hielten eisern das Zaumzeug gepackt.
»Laßt los!« rief Johanna. »Laßt los!« Doch die Männer gehorchten ihr nicht; sie hatten Angst, das Pferd könnte durchgehen.
Hilflos mußte Johanna zuschauen, wie die Schläger Gerold umringten; sie sah, wie die Kerle die Hände nach ihm |548| ausstreckten, um ihn zu Boden zu reißen, wie sie nach seinem Gürtel packten, nach seiner Tunika, nach seinen Armen; dann beobachtete
Johanna, wie sie ihn schließlich vom Pferd zerrten. Für einen winzigen Augenblick erblickte sie noch einmal Gerolds schimmerndes
rotes Haar; dann verschwand er unter der wimmelnden Masse der Angreifer.
Johanna ließ sich vom Pferd gleiten und rannte los, stieß und schubste sich einen Weg durch die Gruppe der verwirrten und
verängstigten Akoluthen. Als sie den Straßenrand erreichte, teilte die Menge sich bereits und bildete eine Gasse für die Männer
der päpstlichen Garde, die auf Johanna zukamen, Gerolds schlaffen Körper in den Armen.
Sie legten ihn zu Boden, und Johanna kniete neben ihm nieder. Ein Rinnsal aus Blut lief ihm aus dem Mundwinkel, und rasch
löste Johanna das lange, rechteckige Pallium von ihren Schultern, knüllte es zusammen, preßte es fest gegen die Wunde in seinem
Rücken und versuchte, den Blutstrom zu stillen. Doch es war sinnlos; binnen weniger Minuten war der dicke Stoff blutdurchtränkt.
Panische Angst stieg in Johanna auf. Eine so schreckliche Furcht hatte sie nie zuvor erlebt.
Stirb nicht, Gerold. Laß mich hier nicht allein.
Gerolds Hand tastete blind umher. Johanna nahm sie sanft in die ihre, und ein schwaches Lächeln spielte um seinen Mund. »Mein
Schatz«, flüsterte er.
Johanna spürte, wie er starb, noch bevor er einen letzten, tiefen Atemzug tat und sein Körper in ihren Armen schwer wurde.
Sie streichelte sein Gesicht. Es war still und friedlich; die Lippen waren leicht geöffnet, und seine indigoblauen Augen starrten
leer und blicklos zum Himmel.
»Er ist zu Gott gegangen«, sagte Desiderius, der Erzdiakon, der neben Johanna stand. »Kommt.« Er nahm ihren Arm. »Laßt ihn
uns zur Kirche
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