Die Päpstin
verstummte die Menge vor Erstaunen. Eustathius, der Erzpriester, nutzte die
Gelegenheit und verkündete: »Gelobt sei Gott in der Höhe! Gelobt sei Sankt Petrus, Fürst der Apostel, durch den die Wahrheit
sich nunmehr offenbart hat! Möge dem heiligen Vater, unserem Papst Johannes, ein langes Leben beschieden sein!«
»Ein langes Leben!« riefen die anderen Würdenträger. Donnernd hallten ihre Stimmen von den Wänden des
triclinium
wider, so daß die silbernen Feuerschalen an den Wänden bebten.
|541| »Was hast du denn erwartet?« sagte Arsenius zu seinem Sohn, der auf einer der Liegen saß, und schritt erregt im Zimmer auf
und ab. »Papst Johannes mag arglos und unschuldsvoll sein, aber ein Dummkopf ist er nicht. Du hast ihn unterschätzt.«
»Das stimmt«, gab Anastasius zu. »Aber es spielt keine Rolle. Ich bin wieder in Rom – und ich habe die volle Unterstützung
des Kaisers und seiner Truppen.«
Arsenius unterbrach seine nervöse Wanderung. »Was willst du damit sagen?« fragte er scharf.
»Daß ich mich jetzt in einer Lage befinde, mir zu
nehmen,
was ich durch eine Wahl nicht bekommen kann, Vater.«
Arsenius starrte ihn an. »Du willst den Papstthron mit Waffengewalt erobern?
Jetzt?«
»Warum nicht?«
»Weil du zu lange fort gewesen bist, mein Sohn. Du weißt nicht, wie die Dinge hier gestanden haben. Es stimmt – Papst Johannes
hat sich viele Feinde gemacht; aber er wird auch von vielen Seiten unterstützt.«
»Was schlägst du dann vor, Vater?«
»Hab Geduld. Kehre ins Frankenreich zurück, stelle die Segel richtig und warte.«
»Worauf?«
»Daß die Winde des Schicksals die Richtung ändern.«
»Und wann wird das sein? Ich habe lange genug darauf gewartet, mir zu nehmen, was mir von Rechts wegen zusteht!«
»Es wäre gefährlich, überstürzt zu handeln. Denk daran, was mit Johannes, dem Diakon, geschehen ist.«
Johannes der Diakon war Gegenkandidat bei jener Papstwahl gewesen, aus der Sergius als Sieger hervorgegangen war. Nach der
Wahl war der enttäuschte Johannes mit einer großen Heerschar bewaffneter Gefolgsleute zum Patriarchum marschiert und hatte
den Papstthron mit Gewalt an sich gerissen. Doch die weltlichen Fürsten der Stadt hatten sich gegen Johannes erhoben; binnen
weniger Stunden eroberten ihre vereinten Truppen das Patriarchum zurück und setzten Johannes ab. Am nächsten Tag wurde Sergius
feierlich zum Papst geweiht – während Johannes’ abgeschlagener Kopf auf der Spitze einer Pike steckte, die auf dem Hof des
Laterans in den Boden gerammt war.
»So etwas wird mir nicht passieren, Vater«, sagte Anastasius |542| zuversichtlich. »Ich habe mir die ganze Sache genau überlegt. Gott weiß, daß ich Zeit genug zum Nachdenken hatte, als ich
all die Jahre in der finstersten Provinz dieses Barbarenlandes verbringen mußte.«
Arsenius entging nicht der unausgesprochene Vorwurf, der in den Worten seinen Sohnes mitschwang. »Und was genau schlägst du
vor?« fragte er.
»Am Freitag ist Bittag. Die Stationsmesse findet in Sankt Peter statt. Papst Johannes wird die Prozession zur Kathedrale führen.
Wir warten, bis er ein gutes Stück zurückgelegt hat; dann stürmen wir das Patriarchum. Es wird alles vorüber sein, bevor Johannes
auch nur einen Verdacht geschöpft hat, was vor sich geht.«
»Lothar wird seinen Truppen niemals befehlen, das Patriarchum zu stürmen. Er weiß, daß ein solcher Angriff sämtliche Römer
gegen ihn aufbringen würde, selbst diejenigen, die auf seiner Seite stehen.«
»Wir brauchen Lothars Soldaten nicht, um das Patriarchum zu erobern. Das schaffen unsere eigenen Leute auch allein. Und sobald
der Papstthron erst einmal fest in meiner Hand ist, wird Lothar mich unterstützen; da bin ich sicher.«
»Schon möglich«, erwiderte Arsenius. »Aber es wird nicht einfach sein, den päpstlichen Palast zu erobern. Der
superista
ist ein hervorragender Kämpfer, und die Männer der päpstlichen Garde sind ihm treu ergeben.«
»Das Hauptaugenmerk des
superista
wird auf die persönliche Sicherheit des Papstes gerichtet sein. Da Lothar und sein Heer in der Stadt sind, werden Gerold und
der größte Teil seiner Männer die Prozession zu Pferde begleiten und Papst Johannes bewachen.«
»Und nachher? Dir ist doch wohl klar, daß Gerold mit allen Kräften, die ihm zur Verfügung stehen, gegen dich anrücken wird?«
Anastasius lächelte. »Mach dir wegen Gerold keine Sorgen, Vater. Ich habe bereits einen Plan, wie wir ihn
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