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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Ob Homer oder Beda Venerabilis,
     ob Cicero oder der heilige Augustinus – in Gudruns Augen waren diese Gelehrten und ihre Werke ein und dasselbe:
Sie waren nicht sächsisch
; etwas anderes zählte nicht.
    Johannas Gedanken waren abgeschweift, und ihre Konzentration hatte nachgelassen, so daß ihr die Hand ausrutschte und die Feder
     einen häßlichen Klecks auf dem Pergament hinterließ. Als sie den Blick hob, sah sie, daß Aeskulapius sie mit seinen durchdringenden
     dunklen Augen musterte.
    »Macht nichts, Kind.« Seine Stimme war unerwartet sanft; für gewöhnlich reagierte er schroff auf Flüchtigkeitsfehler und Gedankenlosigkeit.
     »Es spielt keine Rolle. Fang hier noch einmal von vorn an.«
     
    Die Einwohner Ingelheims hatten sich um den Dorfteich versammelt und unterhielten sich aufgeregt. Heute fand eine Hexenprobe
     statt; ein Ereignis, das bei jedem Zuschauer Mitleid und Neugier, Erregung und wohlige Entsetzensschauer hervorrief – eine
     willkommene Abwechslung im tristen Alltagseinerlei des dörflichen Lebens.
    »Benedictus«
, sagte der Dorfpriester, als er das Wasser des Teiches segnete.
    Hrotrud versuchte zu fliehen, doch zwei Männer packten sie und zerrten sie zu der Stelle zurück, wo der Dorfpriester stand,
     der mißbilligend die Stirn runzelte, so daß seine dichten dunklen Brauen einander fast berührten. Hrotrud fluchte und wehrte
     sich, als ihre Peiniger ihr die geschundenen Hände mit Stoffstreifen aus Leinen auf den Rücken fesselten, so daß sie vor Schmerz
     aufschrie.
    »Maleficia«
, murmelte irgend jemand in der Zuschauermenge, |66| der unweit von Johanna und Aeskulapius stand, so daß die beiden ihn hören konnten. »Möge der heilige Barnabas uns vor dem
     bösen Blick beschützen!«
    Aeskulapius schwieg; er schüttelte nur bekümmert und mitleidig den Kopf.
    Er war am Morgen dieses Tages in Ingelheim eingetroffen, um Johanna und ihrem Bruder die vierzehntäglichen Unterrichtsstunden
     zu erteilen. Doch der Dorfpriester hatte es Aeskulapius verweigert, sofort mit den Lektionen zu beginnen; er hatte darauf
     bestanden, daß sie zuerst die Verhandlung gegen Hrotrud miterlebten, der einstigen Hebamme des Dorfes, die der Hexerei beschuldigt
     wurde.
    »Denn wenn du diesem heiligen Tribunal zuschaust, wirst du mehr über die Wege des Herrn erfahren als aus irgendwelchen alten
     heidnischen Schriften«, hatte der Dorfpriester zu Johanna gesagt, dabei aber mit scharfem Blick Aeskulapius in die Augen geschaut.
    Johanna gefiel es zwar nicht, den Unterricht aufzuschieben; aber sie war neugierig auf die Verhandlung gegen Hrotrud. Sie
     fragte sich, wie es wohl sein würde; noch nie hatte sie erlebt, wie jemand einer Hexenprobe unterzogen wurde. Aber es tat
     Johanna leid, daß es dabei um Hrotrud ging. Sie mochte diese alte Frau; denn sie war ehrlich und keine Scheinheilige. Stets
     war sie aufrichtig zu Johanna gewesen, hatte das Mädchen immer freundlich behandelt und sich nie über sie lustig gemacht,
     wie so viele andere Dorfbewohner. Gudrun hatte Johanna erzählt, wie geschickt Hrotrud damals geholfen hatte, sie zur Welt
     zu bringen – eine zermürbende Tortur, wenn man Gudrun glauben durfte. Sie behauptete sogar, sie und Johanna wären damals gestorben,
     wäre Hrotrud nicht gewesen.
    Als Johanna nun den Blick über die Menge der Dorfbewohner schweifen ließ, wurde ihr mit einem Mal klar, daß Hrotrud zweifellos
     den meisten Zuschauern, die sich heute hier eingefunden hatten, auf die Welt geholfen hatte – auf jeden Fall denjenigen, die
     älter als sechs Winter waren. Doch wenn man nach den Blicken urteilte, mit denen die Leute Hrotrud nun anstarrten, würde man
     nie darauf schließen können, um welche Personen es sich handelte. Hrotrud war für diese Leute zu einem Ärgernis geworden,
     zu einer Belastung für ihre christliche Mildtätigkeit und Nächstenliebe; denn seit die Gicht Hrotruds Finger steif gemacht
     und ihre Hände in Krallen verwandelt |67| hatte, so daß sie sich ihren Lebensunterhalt nicht mehr als Hebamme verdienen konnte, hatte sie, der Not gehorchend, von den
     Almosen ihrer Mitmenschen leben müssen – und von dem bißchen Geld, das sie sich in letzter Zeit durch den Verkauf von Heilkräutern
     und Zaubertränken nach eigenen Rezepten dazuverdient hatte.
    Doch ihr Wissen um solche Mittel war Hrotrud letztendlich zum Verhängnis geworden: Ihre Fähigkeit, wirksame Heiltränke gegen
     Schlaflosigkeit, Zahnschmerzen, Bauchweh und Kopfschmerzen zu mischen,

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