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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Dorfteichs geheftet. Von jener Stelle, an der Hrotrud
     ins Wasser gestürzt war, liefen Wellen in konzentrischen Kreisen zum Ufer. Ansonsten regte sich nichts; das Wasser blieb vollkommen
     unbewegt.
    Der Dorfpriester stieß ein schnaufendes Geräusch aus und gab den Männern ein Zeichen, die daraufhin sofort ins Wasser sprangen
     und auf der Suche nach Hrotrud in die Tiefe tauchten.
    »Hrotrud ist der gegen sie erhobenen Anklagen nicht schuldig«, verkündete der Dorfpriester. »Gelobet sei Gott der Herr.«
    Bildete Johanna es sich nur ein, oder sah ihr Vater tatsächlich enttäuscht aus?
    Wieder und wieder tauchten die Männer in den Teich, doch ohne Erfolg. Dann, endlich, durchstieß einer von ihnen die Wasseroberfläche,
     Hrotrud in den Armen. Ihre Glieder waren schlaff, das Gesicht bleich und aufgedunsen. Der Mann trug sie zum Ufer des Teichs
     und legte sie dort nieder. Die alte Frau rührte sich nicht. Der Mann beugte sich tief über sie, lauschte auf den Herzschlag.
    Nach wenigen Augenblicken setzte der Mann sich auf. »Sie ist tot«, verkündete er.
    Gemurmel erhob sich in der Menge.
    »Höchst bedauerlich«, sagte der Dorfpriester. »Aber sie ist in Unschuld gestorben. Unschuldig des Verbrechens, dessen sie
     angeklagt wurde. Gott nimmt die Seinen zu sich; er wird es ihr vergelten und ihrer Seele den ewigen Frieden schenken.«
    Die Dorfbewohner zerstreuten sich. Einige gingen zu Hrotruds Leichnam und betrachteten ihn neugierig; andere schlenderten
     in kleinen Gruppen davon und unterhielten sich angeregt, wenn auch mit gedämpften Stimmen.
    Johanna und Aeskulapius gingen schweigend zurück zum Grubenhaus. Johannas Inneres war in Aufruhr. Der Tod Hrotruds schmerzte
     sie schrecklich. Jetzt schämte sie sich, daß sie |70| vorher so gespannt gewesen war, wie eine Hexenprobe vor sich ging. Andererseits hätte Johanna nie damit gerechnet, daß Hrotrud
     dabei ihr Leben ließ. Sie war ganz bestimmt keine Hexe gewesen, natürlich nicht; deshalb hatte Johanna fest darauf vertraut,
     daß Gott Hrotruds Unschuld beweisen würde.
    Und das hatte er ja auch.
    Aber warum hatte er sie dann sterben lassen?
     
    Johanna sprach dieses Thema erst an, nachdem sie im Grubenhaus den Unterricht wiederaufgenommen hatten. Mitten beim Schreiben
     senkte sie den Griffel und fragte plötzlich: »Warum hat Gott das getan?«
    »Vielleicht hat er’s gar nicht getan«, erwiderte Aeskulapius, der sofort begriffen hatte, worauf Johanna anspielte.
    Sie starrte ihn an. »Wollt Ihr damit sagen, so etwas kann gegen Gottes Willen geschehen?«
    »Wahrscheinlich nicht. Der bedauerliche Fehler dürfte auch eher auf die Art und Weise der Verhandlung als auf die Beschaffenheit
     des göttlichen Willens zurückzuführen sein.«
    Johanna dachte über diese Bemerkung nach. Schließlich erwiderte sie: »Mein Vater würde jetzt sagen, daß man Hexen seit Hunderten
     von Jahren so und nicht anders auf die Probe gestellt hat.«
    »
Da
hätte er allerdings recht.«
    Nach kurzem Nachdenken sagte Johanna: »Aber daß man es schon seit langer Zeit so macht, bedeutet ja nicht zwangsläufig, daß
     diese Art der
Verhandlung
richtig ist, nicht wahr?« Sie blickte Aeskulapius an. »Wie sähe eine bessere Methode aus?«
    »Das«, gab er zur Antwort, »wirst du mir gleich sagen.«
    Johanna seufzte. Aeskulapius und ihr Vater waren grundverschiedene Männer. Aeskulapius war sogar anders, als der verständige
     Matthias es gewesen war; denn er weigerte sich mitunter, Johanna zu antworten und bestand statt dessen darauf, daß sie selbst
     den richtigen Weg zur Antwort ergründete. Johanna zupfte sich behutsam an der Nasenspitze, wie sie es oft tat, wenn sie über
     ein Problem nachdachte.
    Natürlich! Sie mußte blind gewesen sein, daß sie nicht sofort darauf gekommen war. Cicero und seine Schrift
de inventione
– bis jetzt war es lediglich ein Gedankengebäude gewesen, ein rhetorisches Schmuckstück, eine Übung für den Verstand.
    |71| »Die Fragen, die die Umstände des menschlichen Handelns eindeutig beweisbar bestimmen!« sagte Johanna aufgeregt. »Wie hätten
     diese Fragen bei der Verhandlung gegen Hrotrud gestellt werden können?«
    »Erklär du es mir«, verlangte Aeskulapius.
    »
Quid:
Tatsache ist, daß es einen Gürtel gibt, in dem sich dicke Knoten befinden. Daraus folgt –
quis:
Jemand hat die Knoten in den Gürtel gemacht. Frage: Wer hat sie hineingemacht und den Gürtel dann ins Gebüsch neben Hrotruds
     Hütte geworfen?
Quomodo:
Wie ist Arno der

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