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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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zurück. Anastasius hielt es für eine Art Possenspiel. Lächelnd schaute er seinen Vater an und wollte um eine Erklärung bitten
     – und dann tat sein Herz einen Sprung, als er die Angst in dessen Augen sah. Er wandte den Blick wieder nach vorn und sah,
     wie Theodorus sich loszureißen versuchte. Theodorus war ein großer, schwerer Mann, doch gegen diese Übermacht war er hoffnungslos
     unterlegen. Die Angreifer umringten ihn, hielten seine Arme fest und zerrten ihn zu Boden. Die Vorderseite von Theodorus’
     rubinroter Dalmatika wurde zerrissen; die kostbare Seide hing in gezackten Fetzen herab und gewährte den Blick auf Theodorus’
     nackte weiße Haut. Einer der Angreifer krallte die Hand in Theodorus’ dichtes schwarzes Haar und drückte den Kopf des Opfers
     nach hinten. Anastasius sah das Funkeln von Stahl. Ein Schrei ertönte, und dann schien Theodorus’ Gesicht in einer Fontäne
     aus roter Farbe zu explodieren.
    Anastasius zuckte zusammen, als der feine rote Nieselregen ihn im Gesicht traf. Er hob die Hand, rieb sie über Kinn und Wangen
     und schaute wie betäubt auf die geröteten Finger. Es war Blut. Auf der gegenüberliegenden Seite des Saales rief jemand irgend
     etwas. Anastasius sah, wie Theodorus’ Schwiegersohn Leo unter einer Gruppe von Angreifern verschwand.
    Die Männer ließen von Theodorus ab, und er fiel nach vorn auf die Knie. Dann hob er den Kopf, und Anastasius schrie vor Entsetzen.
     Das Gesicht sah fürchterlich aus. Blut quoll aus den Höhlen hervor, in denen Theodorus’ Augen gewesen waren; |61| es rann ihm über die Wangen auf die Schultern und strömte vom Kinn über die Brust.
    Anastasius drückte das Gesicht an die Hüfte seines Vaters. Dann spürte er dessen große Hände auf den Schultern und hörte die
     Stimme – stark, fest und kein bißchen schwankend. »Nein«, sagte Anastasius’ Vater. »Du kannst dich nicht verstecken, mein
     Sohn.« Die Hände packten den Jungen fester, stießen ihn nach vorn, drehten ihn wieder herum zu dem schrecklichen Anblick unmittelbar
     vor ihm.
    »Sieh hin«, befahl die Stimme. »Beobachte und lerne. Das ist der Preis, den man für den Mangel an Gerissenheit und Gewandtheit
     entrichten muß. Theodorus bezahlt nun dafür, daß er seine Treue zum Kaiser so deutlich gezeigt hat.«
    Anastasius stand wie erstarrt, als er beobachtete, wie die Angreifer Theodorus und Leo zur Mitte der Halle zerrten. Einige
     Male stolperten sie und wären beinahe auf den gefliesten Boden gestürzt, der glitschig von Blut war. Theodorus rief irgend
     etwas, doch die Worte waren nicht zu verstehen. Als sein blutüberströmtes Antlitz sich bewegte, da er den Mund öffnete, sah
     es noch gräßlicher aus.
    Die Männer zwangen Theodorus und Leo auf die Knie und drückten ihnen die Köpfe nach vorn. Dann hob einer der Angreifer ein
     langes Schwert über Leos Nacken und ließ die Klinge blitzschnell herabsausen, um ihm den Kopf abzuschlagen. Doch Theodorus’
     Hals war dick, und er wehrte sich immer noch; der Mann mußte drei-, viermal zuschlagen, bis der Kopf des Opfers über den Boden
     rollte.
    Zum erstenmal sah Anastasius, daß die Angreifer das weiße Kreuz der päpstlichen Miliz auf der Kleidung trugen. »Vater!« stieß
     er hervor. »Das sind die Wachen! Die Wachen der päpstlichen Miliz!«
    »Ja.« Der Vater zog Anastasius an sich.
    Der Junge wehrte sich gegen einen aufkeimenden Anfall von Hysterie. »Aber warum? Warum, Vater? Warum haben sie das getan?«
    »Weil sie den Befehl dazu hatten.«
    »Den Befehl?« fragte Anastasius und versuchte trotz seiner Benommenheit, eine Erklärung dafür zu finden. »Aber wer sollte
     denn einen solchen Befehl erteilen?«
    »Wer? Oh, mein Sohn,
denk nach
.« Das Gesicht seines Vater war aschgrau, doch seine Stimme war fest, als er antwortete. |62| »Du mußt lernen, deinen Verstand zu gebrauchen; dann wird
dir
ein solches Schicksal niemals widerfahren. Und jetzt denk darüber nach: Wer hat die Macht in den Händen? Wer ist imstande,
     solche Befehle zu erteilen?«
    Anastasius stand sprachlos da. Der Verdacht, der in seinem Innern aufkeimte, war so schrecklich, so ungeheuerlich, daß es
     ihm den Atem verschlug.
    »Ja.« Jetzt lagen die Hände seines Vaters wieder sanft auf den Schultern des Jungen. »Wer anders«, sagte er, »als der Papst.«

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    |63| 5.
    »Nein, nein,
nein
.« In Aeskulapius’ ungeduldiger Stimme lag ein Beiklang von Resignation. »Du mußt die Buchstaben viel kleiner machen. Siehst
     du, wie

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