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Die Päpstin

Titel: Die Päpstin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Nacken. Der Hieb ließ sie taumeln, und verzweifelt kämpfte sie darum, das
     Gleichgewicht zu halten.
    Dann, plötzlich, rief eine Männerstimme irgend etwas aus der Ferne. Kam Odo doch noch, um diesem grausamen Spiel ein Ende
     zu machen?
    »Was geht hier vor?«
    Diesmal erkannte Johanna, wer es war. Gerold. In seiner Stimme lag ein Beiklang, wie Johanna ihn nie zuvor gehört |131| hatte. Die Jungen ließen so plötzlich von ihr ab, daß sie beinahe wieder gestürzt wäre.
    Dann lag Gerolds Arm auf ihrer Schulter und hielt sie fest. Dankbar lehnte Johanna sich an ihn.
    »Bernhar«, wandte Gerold sich an den größten Jungen, der Johanna die Fäuste in den Nacken geschlagen hatte. »Habe ich nicht
     erst letzte Woche beobachtet, wie du bei den Waffenübungen versucht hast, aus der Reichweite von Erics Schwert zu bleiben?
     So ängstlich und verzweifelt, daß du keinen einzigen Hieb führen konntest? Aber wie ich sehe, hast du wenigstens keine derartigen
     Schwierigkeiten, wenn ein wehrloses Mädchen dein Gegner ist.«
    Bernhar stammelte eine Erklärung, doch Gerold schnitt ihm das Wort ab.
    »Was du sagen möchtest, kannst du Seiner Eminenz, dem Bischof, sagen. Er wird nach dir schicken lassen, sobald er von dieser
     Sache hier erfährt. Und das wird er – noch heute.«
    Die Stille, die sich daraufhin ausbreitete, war vollkommen. Gerold hob Johanna auf. Trotz ihrer Benommenheit spürte sie mit
     leiser Verwunderung die gewaltige Kraft seiner Arme und seiner Schultern. Er war so hochgewachsen und schlank, daß sie ihm
     eine solche Kraft gar nicht zugetraut hätte. Sie neigte den Kopf zur Seite, so daß die widerliche, schleimige Masse, die ihr
     Gesicht bedeckte, Gerolds Umhang nicht besudelte.
    Auf halbem Weg zu seinem Pferd wandte Gerold sich noch einmal zu den Jungen um. »Ach ja, noch etwas. Was ich gesehen habe,
     Freunde, genügt mir, um zu erkennen, daß dieses Mädchen tapferer ist als ihr alle zusammen. Und klüger noch dazu.«
    Wieder spürte Johanna, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Bis auf Aeskulapius hatte sich niemand so für sie eingesetzt und
     so nette Dinge über sie gesagt.
    Gerold war … anders.
    Die Knospe einer Rose wächst im Dunkeln. Sie weiß nichts von der Sonne, doch sie reckt sich furchtlos in die Finsternis, die
     sie umgibt, bis die Hülle schließlich birst, bis die Rose erblüht und ihre Blätter im Licht entfaltet.
    Ich liebe ihn.
    Der Gedanke kam plötzlich und war gleichermaßen verwirrend wie unerwartet. Was mochte das bedeuten? Sie konnte und durfte
     sich nicht in Gerold verlieben. Er war ein |132| Adeliger, ein reicher und mächtiger Markgraf, und sie war bloß die Tochter eines Dorfpriesters. Er war ein erwachsener Mann
     von fünfundzwanzig Wintern, und Johanna wußte, daß er sie noch als Kind betrachtete, obwohl sie fast dreizehn war und bald
     schon eine erwachsene Frau sein würde.
    Außerdem hatte Gerold eine Gattin.
    Johannas Gedanken und Gefühle waren in wildem Aufruhr.
    Gerold hob sie auf sein Pferd und stieg hinter ihr in den Sattel. Die Jungen standen schweigend an der Tür, nun wieder dicht
     beieinander, und wagten nicht zu sprechen. Johanna kuschelte sich in Gerolds Arme, spürte seine Kraft, nahm sie in sich auf.
    »Und nun«, sagte Gerold, gab dem Pferd die Sporen und brachte es in einen langsamen Galopp, »werde ich dich nach Hause bringen.«

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    |133| 9.
    Markgraf Gerold, der
grafio vir inluster
dieser entlegenen nordöstlichen Grenzmark des kaiserlichen Imperiums, spornte seinen neuen Fuchshengst zum Galopp, als er
     sich dem kleinen Waldstück auf der Hügelkuppe näherte, auf der Villaris stand, seine Burganlage. In Erwartung des warmen Stalles
     und des frischen Heus reagierte das Pferd bereitwillig auf die Aufforderung seines Reiters. Neben Gerold ritt Osdag, der Jagddiener,
     dessen Tier nun ebenfalls raumgreifender ausschritt, obgleich das Gewicht des erlegten Hirsches, der auf dem Rücken des Pferdes
     festgebunden war, das Tier ein Stück zurückfallen ließ.
    Es war ein guter Jagdtag gewesen. Aus einer Laune heraus war Gerold heute nur mit zwei seiner Schweißhunde und mit Osdag als
     Begleiter ausgeritten, obwohl eine Jagdpartie üblicherweise sechs oder mehr Männer umfaßte. Doch sie hatten Glück gehabt;
     schon nach kurzer Zeit waren sie auf die Fährte des Wildes gestoßen, die Osdag mit geübtem Blick prüfend betrachtet hatte.
     »Ein Hirsch nach dem fünften Jahr«, stellte er fest, »und ein großer noch dazu.« Sie hatten

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