Die Palm-Beach-Verschwoerung
Ned.«
Ich kniff die Augen zusammen. Ich kam mir vor, als hätte mir Marvelous Marvin Hagler einen kurzen rechten Haken am Kinn verpasst. »Ich war schon fast so weit, mein Leben in die
Hand einer FBI-Agentin zu geben, und sie ist für Kunstraub zuständig? Jesses, Ned, kriegst du auch gar nichts auf die Reihe?«
»Sie könnten es noch versuchen«, sagte Ellie mit einem unglaublich traurigen Blick.
»Auf Wiedersehen, Ellie Shurtleff. Ich muss zugeben, dass Sie verdammt tapfer waren. Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, dass ich auf Sie schießen würde, oder?«
»Nein.« Ellie schüttelte den Kopf. Ich erwischte sie beim Lächeln. »Ihre Waffe - sie war die ganze Zeit gesichert.«
Dritter Teil
Gachet
34
»Ich glaube nicht, dass er es getan hat, George!«, beteuerte Ellie am Telefon. »Jedenfalls nicht, so weit es die Morde betrifft.«
Das FBI-Krisenteam in Boston hatte gerade ihren Bericht über ihr Martyrium erhalten. Vielleicht war das Ganze eine Nummer zu groß für sie, aber sie erzählte ihnen, welchen Eindruck sie gewonnen hatte. Dass dieser Kelly kein Mörder war, nur jemand, dem die Sache über den Kopf gewachsen war und der dann Panik bekommen hatte. Dass sie ihn ganz bestimmt davon überzeugt hätte, sich zu stellen, wenn er nicht sein Bild im Fernsehen gesehen hätte.
Jetzt, im Konferenzzimmer des Regionaldirektors von Boston, konnte sie ihrem Chef in Florida Bericht erstatten. »Erinnern Sie sich, wie die Polizei gesagt hat, dass zum Zeitpunkt des Einbruchs an mehreren Stellen in der Stadt Alarm ausgelöst wurde, George? Das war sein Werk. Er hat diese Menschen nicht umgebracht oder die Gemälde an sich genommen. Er hat den Alarm ausgelöst.«
»Hört sich an, als wärt ihr beide in eurer gemeinsamen Zeit ein Herz und eine Seele gewesen«, meinte Moretti.
»Was soll das heißen?«, fragte Ellie.
»Ich weiß nicht, nur, dass Sie scheinbar in der Lage waren, viel von dem Kerl zu erfahren. Gemeinsam einen Wagen gestohlen, sich gegenseitig die Lebensgeschichten erzählt.«
Ellie starrte auf den Lautsprecher. Acht Stunden lang hatte jemand die Waffe auf sie gerichtet, es war der nervtötendste Tag ihres Lebens gewesen. »Ich habe doch erwähnt, dass er eine Waffe hatte, oder nicht, George?«
»Haben Sie - und es gab die ganze Zeit über keine Gelegenheit, sie ihm abzunehmen? Auch nicht während der beiden
Ortswechsel? Oder von dort zu verschwinden, Ellie? Ich dachte nur, vielleicht hätte ein anderer Agent …«
»Ich dachte, ich könnte ihn zurückbringen, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Meine Einschätzung war, dass in seinem Gesicht nichts von einem Mörder zu erkennen war.«
Moretti zog die Nase hoch. »Bitte verzeihen Sie mir, wenn ich Ihnen das nicht abkaufe.«
»Was nicht abkaufe?«, fragte sie zögernd.
»Ihre Einschätzung. Bei allem gebührenden Respekt, natürlich.«
»Und auf welcher Grundlage?«, schoss sie zurück. Dieses Arschloch verheimlicht mir was.
»Auf der Grundlage, dass unschuldige Jungs keine FBI-Agenten entführen«, antwortete Moretti.
»Ich habe gesagt, dass er Panik bekommen hat, George.«
»Außerdem haben wir sein Bild im Brazilian Court in Palm Beach herumgezeigt. Er wurde mit Tess McAuliffe gesehen, Ellie. Er hat mit ihr zu Mittag gegessen. An dem Nachmittag, als sie getötet wurde.«
35
Ich bin ziemlich sicher, dass dies die längste und einsamste Nacht meines Lebens war.
Ich war die dritte Nacht auf der Flucht. Ich wusste nicht, wem außer Dave ich vertrauen konnte, und ich war entschlossen, ihn nicht mit hineinzuziehen. Alle anderen, zu denen ich gegangen wäre und die mir geholfen hätten, waren tot.
Das Schlimmste war, dass einige der Leute, denen ich nicht trauen konnte, denselben Nachnamen hatten wie ich.
Ich stellte den Minivan ab und verbrachte die Nacht zusammengerollt in einem Kino in Cambridge, wo ich mir mit ein paar übertrieben begeisterten College-Studenten immer wieder Herr der Ringe anschaute. Ich hatte mir die Kapuze meines Sweatshirts über den Kopf gezogen aus Angst, dass man mich erkennen könnte. Nach der letzten Vorstellung hatte ich das Gefühl, begnadigt worden zu sein.
Gegen acht am nächsten Morgen nahm ich ein Taxi zum etwa fünfzehn Minuten entfernten Watertown. Ich erhaschte auf dem Beifahrersitz des Wagens einen Blick auf die Frühausgabe des Globe : MANN AUS DER GEGEND WEGEN FBI-GEISELNAHME GEJAGT. GESUCHT AUCH IN VERBINDUNG MIT DEN FLORIDA-MORDEN. Ich sank nach hinten in den Sitz und zog meine Mütze in die
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