Die Palm-Beach-Verschwoerung
zu einer festen Umarmung zu sich heran. »Jeder weiß, dass du nichts mit dem zu tun hast, was da unten passiert ist. Es tut mir Leid um Mickey und deine Freunde. Aber du bist in Schwierigkeiten, Ned, und ich glaube nicht, dass Frank dich da rausholen kann. Mein Angebot steht. Denk drüber nach. Aber vor allem pass auf dich auf.«
Ich nickte und klopfte ihm auf den Rücken. Dann ging ich zur Tür.
»Nichts für ungut, Kleiner«, hielt er mich auf, »aber könntest du vielleicht hinten rausgehen?«
Die Treppe führte zu einem Parkplatz, der um die Ecke bis zu einer Gasse reichte. Ich winkte Onkel George noch einmal zu, als er mir hinterherblickte. Ich wusste, dass er mich wie einen echten Neffen liebte.
Aber er hatte einen Fehler gemacht.
In keinem Bericht, den ich gelesen oder im Fernsehen gesehen hatte, war ein gestohlener Jackson Pollock erwähnt worden.
37
Ellie kochte vor Wut, aber eigentlich mochte sie sich dann am liebsten - reizbar, kämpferisch, sich für sich selbst einsetzend.
Sie war reingelegt worden. Sie hatte sich für Ned eingesetzt, aber er hatte sie fallen lassen. Dieser Mistkerl wusste etwas, sagte sie sich immer wieder. Er hatte Tess McAuliffe gekannt. Er war mit ihr an dem Tag zusammen gewesen, an dem sie umgebracht worden war. Ellie kam sich wie eine Idiotin vor.
Sie war noch immer im Büro in Boston, würde aber am Abend zurück nach Florida fliegen. Sie hatte den Tag damit verbracht, Anrufe zu kontern - einen hektischen von ihren Eltern aus New Jersey, einen vom Regionaldirektor des FBI, der mit ihr das Martyrium im Krisenteam noch einmal durchsprechen wollte. Dann hatte sie versucht, jemanden im Kunstgeschäft ausfindig zu machen, der auf den Namen Gachet hörte.
Natürlich kannte sie den Namen. Jeder, der Kunstgeschichte studiert hatte, kannte ihn.
Gachet war das Thema eines von van Goghs letzten Gemälden. Er hatte das Bild im Juni 1890 in Auvers beendet, nur wenige Wochen vor seinem Tod. Der berühmte Arzt mit den schmerzerfüllten blauen Augen. Aus van Goghs Besitz war es zum ersten Mal für umgerechnet 58 Dollar verkauft worden. 1990 hatte ein japanischer Geschäftsmann 82 Millionen dafür bezahlt. Noch nie zuvor hatte ein Kunstwerk einen so hohen Preis erzielt. Aber was hatte das alles mit dem Kunstraub in Florida zu tun?
Sie verbrachte auch einige Zeit damit, alles ans Tageslicht zu befördern, was sie über Ned Kelly herausfinden konnte. Über die Polizeiakten seiner Freunde. Über die seines Vaters. Über seinen älteren Bruder, der 1997 während eines Einbruchs, den
wahrscheinlich sein Vater organisiert hatte, von der Polizei erschossen worden war.
Das alles entsprach der Wahrheit.
Dann fand sie auf der Website der Universität ein Bild von Neds Hockeymannschaft der Boston University von 1998. Sie überprüfte die Sache mit der Stoughton Academy. Er war ungerechtfertigterweise von einer Schülerin beschuldigt worden. Und wurde ein paar Wochen später entlastet. Genau wie Ned ihr erzählt hatte. Auch darüber hatte er nicht gelogen.
Sondern nur über die vergangenen vier Tage?
Der Kerl war noch nie in echten Schwierigkeiten gewesen; jetzt wurde er wegen zwei gruseliger Mordgeschichten gesucht? Egal wie die Beweislage war, Ellie war sich immer noch sicher: Ned war kein Mörder. Ein Lügner vielleicht. Jemand, dem alles über den Kopf gewachsen war. Vielleicht auch ein Frauenheld. Aber ein kaltblütiger Mörder? Ach was, er wusste ja nicht einmal, wie man eine Waffe benutzte.
Sie drückte sich vom Schreibtisch ab. Vielleicht hatte Moretti Recht: Bleib bei deiner Kunst. Klar, es machte Spaß, eine Weile mit dem A-Team zusammenzuspielen, aber die Tage, während der sie einem Mörder hinterherjagte, waren vorbei.
»Shurtleff?« Einer der Agenten aus Boston schob seinen Kopf um die Trennwand.
Ellie nickte.
»Jemand auf Leitung zwei für Sie.«
»Wer ist es?«, fragte sie. Die Geschichte war in allen Medien. Den ganzen Tag über hatte sie Anrufe von der Presse abgewimmelt.
»Eine Berühmtheit«, meinte der Kollege mit einem Achselzucken. »Er heißt Steve McQueen.«
38
Diesmal hatte sie die Absicht, alles richtig zu machen. Nach Lehrbuch. Nicht wie am Tag zuvor. Obwohl sie sich kaum zurückhalten konnte, über den Witz mit Steve McQueen zu grinsen. Ellie drückte eine Taste, um den Anruf aufzuzeichnen, legte die Hand über die Sprechmuschel und flüsterte ihrem Kollegen zu: »Anruf zurückverfolgen!«
»Haben Sie mich vermisst, Ellie?«, fragte Ned Kelly, als sie
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