Die Papiermacherin
Rundbögen an seiner Peripherie fanden sich tagsüber fliegende Händler. Jetzt verkrochen sich dort die Bettler und bereiteten sich ein Nachtlager. Zwar war das verboten, aber selbst eine doppelt so starke Warägergarde hätte nicht sämtliche dunklen Ecken überwachen können.
»Ich würde auf die Versprechungen von diesem Logotheten nicht allzu viel geben«, sagte Christos, als sie sich von der Nordwestseite des Hippodroms bereits auf das Konstantin-Forum zubewegten.
»Wie kommst du darauf?«, fragte Li.
»Evangelia! Hört Ihr nicht hin, wenn jemand redet?«
»Natürlich höre ich hin, wenn Petros Makarios spricht. Und mein Griechisch ist inzwischen gut genug, dass ich nicht nur jedes Wort, sondern auch die feinen Unterschiede in der Betonung und im Tonfall zu erkennen vermag! Außerdem – wie sprichst du eigentlich mit mir?«
»Entschuldigt, Evangelia. Ich wollte Euch nicht zu nahe treten und schon gar nicht maßregeln.«
»Nein, was dann?«
»Ich wollte Euch warnen. Die Stimme dieses Petros Makarios war voller Falschheit. Er meint nicht, was er sagt, und ich würde mich auf seine Hilfe nicht verlassen.«
Li sah den blinden Tagelöhner erstaunt an und runzelte die Stirn. »Und so etwas hörst du an der Stimme?«
»Ich vertue mich selten.«
Der Blinde blieb abrupt stehen. »Es riecht eigenartig!«, stellte er fest.
»Der Gestank der Straße – aber ich sage dir, es gibt Orte, in denen er schlimmer ist als hier in Konstantinopel!«
Christos schüttelte den Kopf. »Nein, das meine ich nicht … Evangelia! Es brennt hier irgendwo!«
Wenig später erreichten sie eine Nebenstraße. Lautes Stimmengewirr schlug ihnen entgegen. Um ein kuppelförmiges Gebäude stand eine Traube von Menschen. Flammen schlugen aus einem Fenster, und Rauch stieg auf. »Wasser! Holt Wasser!«, rief jemand.
»Ist es eine Kirche, die da brennt?«, fragte Christos.
»Woher weißt du das?«, fragte Li.
Christos atmete tief durch. »Es betrifft meistens Kirchen, wenn Brände gelegt werden.«
»Aber … Konstantinopel ist das Neue Rom! Die Hauptstadt der Christenheit! Wieso werden hier Kirchen angezündet?«
»Das waren radikale Ikonoklasten«, antwortete Christos. »Bilderstürmer, die die Ikonen in den Kirchen für Götzenverehrung halten.«
Siebzehntes Kapitel
Belagert
Gegen Nachmittag des nächsten Tages erschien Arnulf an der Tür ihrer Werkstatt. »Ich hoffe nicht, Euch zu stören, Li – oder ist es Euch lieber, wenn ich Euren griechischen Namen verwende?«
»Arnulf!«, entfuhr es ihr, und für einen Augenblick spiegelte sich die Freude unverhüllt in ihrem Gesicht wider, wie sie es selten zuließ, denn sie war gewöhnt, ihr Innerstes für sich zu behalten und nach außen nichts als eine Maske der Freundlichkeit zu zeigen. Eine Maske, die keinerlei Ecken und Kanten aufwies und vor allem dem Gegenüber einen angenehmen, möglichst wenig irritierenden Anblick bieten sollte. »Nein, nennt mich ruhig Li, denn das wird immer mein wahrer Name sein. Evangelia ist wie eine Verkleidung, die man trägt, um gefälliger zu wirken.«
»Dann bleibe ich bei Li …« Er sah sie an und bemerkte, dass sie ihren Umhang angelegt hatte und am Gürtel eine Geldbörse trug. Es war nicht zu übersehen, dass sie gerade aufbrechen wollte. »Ich komme anscheinend ungelegen …«
»Ganz und gar nicht«, widersprach sie. »Ich glaube nicht, dass ich es je als ungelegen empfinden könnte, wenn Ihr vor meiner Tür steht …«
»Aber von wichtigen Pflichten abhalten möchte ich Euch nicht!«
»Ihr könntet mich zum Markt auf dem Forum Tauri begleiten. Und anschließend muss ich mit einem Schmied sprechen, ob er mir einen Draht ziehen kann, der noch um die Hälfte dünner ist als der, den er mir bisher geliefert hat!«
In Nord-Süd-Richtung verlief eine Hauptstraße vom Kriegshafen am Goldenen Horn, vorbei am Capitol, bis zum Konstantin-Hafen am Marmarameer. Zwischen dieser Straße und dem Valenus-Aquädukt lag das Forum Tauri, einer der größten öffentlichen Plätze der Stadt. Der Name erinnerte daran, dass es wohl ehedem ein Viehmarkt war. Säulengänge grenzten den Platz ab.
Eine Säule überragte alle anderen als unverwechselbares Wahrzeichen der Stadt: die Säule zu Ehren von Kaiser Theodosius, der das Christentum zur Staatsreligion erhob und dessen Name daher selbst am fernen Hof von Magdeburg noch einen erhabenen, fast legendären Klang besaß. Im Jahr 5698 nach Erschaffung der Welt war dies geschehen, wie eine
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