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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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dem Bulgarenreich in seiner Nachbarschaft schon längst ein Ende machen sollen!«
    »Ich verstehe nichts von diesen Dingen«, sagte Li. »Ich habe nur erfahren, dass jeder Krieg viel Unglück über die einfachen Menschen bringt.«
    »Manchmal muss man aber auch einen Krieg führen, um dieses Unglück zu verhindern«, fand Ragnar. »Ich habe früher in der Garde gegen die Bulgaren gekämpft und weiß, wie hinterhältig sie sind … Das ist ihre Taktik. Sie versuchen, die Verteidiger aus der Stadt herauszulocken, und machen sie dann nieder. Aber eine wirkliche Gefahr sind sie nur, wenn Verräter ihnen die Tore öffnen, solange die Truppen aus dem Osten noch nicht zurück sind.«
    Ragnar sah Li auf eine Weise an, die ihr unangenehm war. Als Christos den Raum betrat, schickte Ragnar ihn mit einigen barschen Worten hinaus und schloss die Tür.
    »Was erlaubt Ihr Euch?«, fragte Li.
    »Was erlaubst du dir?«, fragte Ragnar.
    »Wovon sprecht Ihr?«
    »Tu nicht so, als wüsstest du das nicht. Konstantinopel mag die größte Stadt der Welt sein – aber manchmal ist sie klein wie ein Dorf! Wie kannst du glauben, es könnte unbemerkt bleiben, dass du mit einem Ritter des Sachsenkaisers durch die Straßen läufst!«
    »Was?«
    »Er heißt, glaube ich, Arnulf von Ellingen. Jedenfalls sagte mir das jemand am Hof.«
    Li schluckte, und auf ihrer ansonsten stets glatten Stirn erschien jetzt oberhalb der Nasenwurzel eine Zornesfalte. »Es ist nichts Anstößiges daran«, erklärte sie.
    »Li …«
    »Für Euch heiße ich nicht mehr so!«, wies Li ihn zurecht. »Für Euch bin ich Evangelia!«
    »Du fertigst Papier mit dem Zeichen des Kaisers. Das ist eine Vertrauensstellung. Und es könnte sein, dass man bei Hof zu der Ansicht kommt, dass jemand wie du keine allzu enge Verbindung zu jemandem wie diesem Arnulf von Ellingen haben sollte.« Ragnar zuckte mit den Schultern. »Du wirst sicher klug genug sein, unseren Erfolg nicht aufs Spiel zu setzen.«
    Li schlug das Herz bis zum Hals. Ragnar wandte sich bereits zum Gehen. Aber so einfach wollte sie ihn nicht entschwinden lassen, nachdem er sie derart abgekanzelt hatte. Sie war ihm dankbar für die Hilfe beim Aufbau ihrer Werkstatt – doch das gab ihm noch lange nicht das Recht, auf diese Weise über sie zu verfügen und sie zurechtzuweisen. Die Zeiten, da sie unfrei war, gehörten der Vergangenheit an. »Wartet!«, sagte sie mit einer großen Klarheit und inneren Kraft. »Ich werde die Rücksicht, die Ihr von mir erwartet, nicht geben können. Wenn irgendein untergeordneter Logothet der Meinung ist, dass das Schreibmaterial des Hofes besser von anderswo bezogen werden soll, dann kann ich es nicht ändern, so bedauerlich es auch wäre!«
    Ragnar drehte sich noch einmal um. »Das muss ja ein wirklich beeindruckender Kerl sein, wenn dir dafür alles andere gleichgültig ist«, stellte er fest, bevor er ging.
    Beinahe jeden Tag hatten Li und Arnulf sich gesehen, und sie genoss jeden einzelnen Moment. Er hörte ihr sogar zu, wenn sie von dem Leben berichtete, das sie in Xi Xia im Haus ihres Vaters geführt hatte – ein Leben, das Arnulf gewiss sehr fremdartig erschien, da schon ihr selbst manches davon unwirklich vorkam, wenn sie heute daran dachte. So vieles war seitdem geschehen.
    Die Belagerung der Stadt änderte nichts daran, dass weiterhin Wagenrennen im Hippodrom stattfanden. Man konnte sogar den Eindruck gewinnen, als wollte der Kaiser damit ganz bewusst demonstrieren, wie wenig die Stadt wirklich in Gefahr war. Wenn erst einmal die Truppen aus dem Osten zurückkehrten, dann würden die Bulgaren das Gebiet, das sie bereits zum wiederholten Mal an sich gerissen hatten, nicht halten können.
    Li und Arnulf konnten den Lärm des Publikums aus dem Hippodrom immer wieder aufbranden hören, während sie durch die vergleichsweise leeren Straßen zwischen dem Konstantin-Forum und dem Hippodrom gingen und schließlich die Werkstatt erreichten.
    Arnulf hatte ihr geholfen, ein Lumpenbündel zu tragen, das sie auf dem Forum Tauri erworben hatte. Der Stoff dieser Lumpen war noch recht gut erhalten und wenig zerschlissen. Deswegen hatte sie sofort zugegriffen.
    Li schloss die Werkstatt auf, und sie traten ein.
    »Ist niemand hier?«, wunderte sich Arnulf, denn er vermisste das vertraute Geräusch der Stampfer aus dem Nachbarraum.
    »Jeder Bettler geht zu den Spielen im Hippodrom, da konnte ich es meinen Tagelöhnern nicht verwehren.«
    Arnulf schmunzelte, als er die Lumpen in einer Ecke

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