Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
Vom Netzwerk:
Inschrift in lateinischer und griechischer Sprache verriet – denn nach dem Schöpfungsdatum, wie es durch die Angaben der Bibel errechnet werden konnte, zählte man in Konstantinopel die Jahre.
    Arnulf blieb kurz bei der Säule stehen, die jetzt von den Händlerständen umlagert war, während dieser Platz zu anderer Gelegenheit dem Aufmarsch von Kriegerkolonnen diente.
    »Ich wusste nicht, dass es so viele Jahre gegeben hat«, sagte Arnulf.
    »Man zählt und rechnet sie überall anders«, gab Li zurück. »Die Muslime können sich nicht einmal einigen, ob sie nach Mond- oder nach Sonnenjahren zählen sollen, wenn sie von der Flucht des Propheten nach Medina an rechnen … Wie zählt man die Jahre in Saxland?«
    Arnulf lächelte. »Eigentlich nach der Gründung der Stadt Rom.«
    »Ah … des echten Roms!«
    »So ist es. Aber in letzter Zeit greift die Sitte um sich, nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus zu zählen, die beinahe ein Millennium her sein soll.« Arnulf zuckte mit den Schultern. »Diese Sitte kommt von unseren sächsischen Brüdern aus England. Die erste Frau von Otto Magnus war eine Angelsächsin, und da sie bis heute fast wie eine Heilige verehrt wird, ist es bei manchen im Schwange, so zu rechnen, wie sie es getan hat … Ich persönlich halte das für eine vorübergehende Mode.«
    »Aber wenn das Millennium von Christi Geburt bald bevorsteht, wie Ihr sagt, wäre das doch ein passender Zeitpunkt, um die Zeitrechnung umzustellen. An der Stelle eines Herrschers würde ich so eine Gelegenheit nutzen und meiner Herrschaft ein Denkmal setzen!«
    Arnulf lachte. »Von Euch könnte das eine oder andere gekrönte Haupt vielleicht noch lernen«, meinte er schmunzelnd. »Genau das, was Ihr sagt, erwägt Kaiser Otto übrigens in seinem jugendlichen Überschwang!« Arnulf zuckte die Schultern. »Zumindest war davon die Rede, als ich aus Magdeburg aufbrach. Aber seitdem ist geraume Zeit vergangen und …«
    »… und so könnte es sein, dass bereits eine neue Zeit angebrochen ist, wenn Ihr ahnungslos zurückkehrt?«, lächelte Li.
    Arnulf nickte, während sich ihre Blicke zum wiederholten Mal trafen.
    »Erzählt mir ruhig mehr von Eurer Heimat – Saxland … Ich möchte alles darüber erfahren, so wie wir uns über unsere Erlebnisse in den Ländern des Ostens ausgetauscht haben!«
    »Aber gerne«, sagte Arnulf. »Was wollt Ihr zuerst hören? Von dem Kaiser in Magdeburg, der noch ein Junge ist und für den man hier in Konstantinopel nur schwer eine geeignete Prinzessin findet? Oder davon, dass ganz Magdeburg wahrscheinlich kleiner ist als allein der Palast des Basileios?«
    »Größe an sich stellt noch keinen Wert dar, Arnulf. Und um ehrlich zu sein, es ist mir fast gleichgültig, wovon Ihr zuerst erzählt. Ich höre einfach gerne Eure Stimme.«
    Sie sah ihn an, und seine Hand berührte sie vorsichtig am Unterarm. Aber er zog die Hand sogleich zurück. »Ihr seid eine Frau von ganz eigenem Zauber, Li …«
    »Das sagt Ihr, weil ich jetzt Kleider trage, mit denen man sich auf der Straße blicken lassen kann und deren Anblick Euch nicht unvertraut ist.«
    »Nein, das habe ich schon in dem Augenblick gedacht, als ich Euch in Samarkand sah und Ihr nach Art der dortigen Frauen gekleidet wart … Selbst Lumpen könnten Eure Anmut nicht verbergen!«
    »Ihr hättet mich bei den Uiguren sehen sollen, als ich wie ein zotteliges Tier herumlief!«
    »Auch das würde kaum etwas ändern!«
    »Ich habe in all der Zeit gelernt: Es kommt nicht auf die äußeren Dinge an, sondern darauf, was in einem ist. Denn nur dies lässt sich bewahren. Alles andere ist ein Raub des Mottenfraßes und der Vergänglichkeit …«
    Sie gingen weiter über den Platz, auf dem Li nach einem bestimmten Händler Ausschau hielt, der hier normalerweise alle paar Tage zu finden war. Er hatte gute Lumpen, handelte aber auch mit anderen nützlichen Dingen. So bot er eine Auswahl von Harzen an, die sich für den Gebrauch in Lis Werkstatt sehr viel besser eigneten als vieles, was die arabischen Händler in die Stadt brachten. Aus welchen Bäumen er diese Harze gewann, wollte er nie verraten. Allerdings ließ die Tatsache, dass er mindestens einmal in der Woche in die Stadt kam und seinen Stand auf dem Forum Tauri hatte, vermuten, dass der Ursprung seiner Ware in Thracien lag, in der näheren Umgebung Konstantinopels. Darüber, welche Bäume dort heimisch waren, wusste Li noch kaum etwas, und so konnte sie die Herkunft des Harzes nicht

Weitere Kostenlose Bücher