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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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erraten.
    In der ganzen Zeit, die sie nun schon in der Kaiserstadt lebte, hatte sie deren Mauern nicht ein einziges Mal verlassen. Alles, was sie kannte, waren ein paar Straßen und Märkte. Vor lauter Arbeit war auch nie Zeit für die Spiele im Hippodrom geblieben. Erst ein Blick aus dem Fenster zeigte ihr immer deutlich, dass gerade eines der berühmten Wagenrennen stattfand, denn die Straßen waren dann wie leergefegt. Gerne hätte Li solche Gelegenheiten genutzt, um in Ruhe ihre Besorgungen zu erledigen. Der Haken war nur, dass sich kaum ein Händler oder Handwerker fand, der seine Geschäfte einem Wagenrennen vorzog. Vom Kaiser persönlich bis zum einfachen Marktschreier nahm das Volk der großen Stadt in diesen Stunden fieberhaft Anteil am Wettstreit der unterschiedlichen Wagenlenker-Mannschaften.
    »Mir scheint die ganze Zeit, dass Ihr etwas sucht – oder jemanden«, stellte Arnulf fest.
    »Ist das so offensichtlich?«
    »Allerdings!«
    »Ich vermisse den Händler Phorkias – und ehrlich gesagt verstehe ich nicht, weshalb er nicht an seinem Platz ist.«
    Ein paar Männer standen in einer Gruppe zusammen und unterhielten sich lautstark. Während Arnulf so gut wie nichts davon verstehen konnte, lauschte Li ihnen aufmerksam. Dann ging sie auf die Gruppe zu und sprach einige Worte auf Griechisch mit ihnen. Anschließend wandte sie sich an Arnulf.
    »Die Bulgaren sind in Thracien eingefallen, deshalb wurden die Stadttore geschlossen. Ich hatte mich schon gewundert, weshalb hier weniger los ist als sonst! Offenbar wird niemand mehr in die Stadt gelassen!«
    In den nächsten Tagen trafen sich Li und Arnulf noch häufiger. Sie zeigte ihm die Stadt auf eine Weise, wie er sie als Fremder allein nie zu Gesicht bekommen hätte. Unter anderem führte sie ihn in den Bau der gewaltigen Bibliothek, die eine der größten Sammlungen von Schriften in der Christenheit enthielt. Eine Handvoll der Bände, die hier in den Regalen standen, waren auf Papier aus Lis Fertigung geschrieben worden. Mit Billigung des strengen Bibliothekars durfte Li eines dieser Werke aus dem Regal herausholen. »Das ist die Übersetzung eines Kompendiums über die Natur der Krankheiten, das ins Griechische übersetzt wurde. Seht nur die Verarbeitung! Das Papier trägt ein Wasserzeichen, das den Stab des Äskulap darstellt …«
    »Es scheint, als wäre nicht nur Euer Papier zu einem Teil dieser Stadt geworden«, sagte Arnulf.
    »Nein, da irrt Ihr. Ich habe nirgendwo mehr Wurzeln. Die sind mir ausgerissen worden, als man uns aus Xi Xia verschleppte.«
    »Ich dachte, die Art und Weise, wie Ihr hier in Konstantinopel Eurem Handwerk nachgeht, erfüllt Euch voll und ganz!«
    »Das tut es auch!«
    »Als ich Euch in Eurer Werkstatt gesehen habe, wirktet Ihr wie jemand, dem der Herr den rechten Platz gezeigt hat.«
    »Das mag sein. Aber wenn ich eines gelernt habe, dann dies: Es kann sich von einem Tag auf den anderen alles ändern. Nichts ist gewiss, und was ich heute besitze, kann sich morgen schon in nichts aufgelöst haben.«
    »Und wenn so etwas passieren würde?«, fragte Arnulf.
    »Dann würde ich an einem anderen Ort von vorne beginnen.«
    »Wahrscheinlich würde Euch auch dort alles gelingen, was Eure Hand berührt, Li.«
    Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer in der Stadt, dass die Bulgaren die Stadt von ihrem Hinterland abgeschnitten hatten.
    Einige Söldnereinheiten waren in verlustreiche Kämpfe verwickelt worden, und nur wenige Überlebende schafften die Flucht bis zu den Stadtmauern, wo man sie einließ.
    Ragnar der Weitgereiste stattete Li einen Besuch ab. Ihm gehörte schließlich das Haus, in dem sie ihr Handwerk betrieb, und er profitierte von ihrem Gewinn.
    »Dein Geschick hat dich weit gebracht«, sagte er. »Vielleicht sollten wir meine Anteile in Zukunft neu verhandeln.«
    »Gerade jetzt, da die Zeiten unsicher werden?«, fragte Li.
    »Sie werden nicht unsicher.«
    »Bedenkt, dass man uns belagert!«
    Ragnar lachte schallend. »Die Stadt ist völlig unabhängig und wird ohnehin zum größten Teil von der See her versorgt. Und abgesehen davon haben diese bulgarischen Barbaren nur einen günstigen Zeitpunkt gewählt, um mal wieder aus ihren Bergen hervorzukommen, weil sich ein Großteil der kaiserlichen Truppen im Osten befindet. Sobald diese Kräfte hierher verlegt worden sind, jagen sie die Angreifer in die Berge zurück …« Ragnar schüttelte den Kopf. »Es ist immer dasselbe, und wenn du mich fragst, hätte der Kaiser

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